Rassenbeschreibung: Die Nortraven sind die Bewohner des rauhen Nordens Galadons, dieses Land ist nach ihnen benannt – das Norland. Dieses rauhe Seefahrervolk hält die besten und bekanntesten Seefahrer inne, die als einzige bis in die jüngste Zeit das wilde Nordwasser zu befahren wussten. Ebenso ist ihre Kunst des Schiffsbau berühmt und schon bei der Entdeckung Siebenwinds behilflich gewesen. Doch sie kämpfen ebenso für ein freies Land, ohne die Schirmherrschaft Galadons. Mit ihren eigenen Göttern, Sagen und Märchen sind sie das erste Volk der Menschen, dass wir Euch hiermit vorstellen wollen. Allerdings sollte man darauf Achten sie nicht als Menschen zu benennen, da sie sich durch ihre Kultur sowie körperlichen Abweichungen selber nicht als Menschen sehen sondern als eigene Rasse und dadurch eher negativ reagieren wenn jemand aus einer anderen Rasse sie als Menschen bezeichnet.
Über die Nortraven: Größe: Mann: 1,70 – 2,30; Frau: 1,70 – 2,10 Magiebegabung: Druiden, Schamane. Ursprung: Geboren im 2ten Zeitalter Tares, geschaffen durch Tjarek und Eydis.
Klassenübersicht der Nortraven:
- Abenteurer
- Abrichter
- Hetja*
- Dieb
- Druide°
- Heiler
- Händler
- Holzverarbeiter
- Jäger
- Landarbeiter
- Kesselflicker
- Koch
- Krieger
- Schamane
- Schmied
- Schneider
- Schurke
- Seemann
- Skalde
Heimat
Das unwirtliche Norland ist die nördlichste Region Falandriens. Die Nortraven werden von ihrer Heimat geprägt, was sich in ihrer ungewöhnlichen Kraft und Härte äußert. Durch die kalten Seen und das generell sehr kühle Wetter entwickeln sie dagegen eine natürliche Resistenz. Da die Ebenen kaum bewachsen sind, müssen die Bauern an einigen wenigen fruchtbaren Stellen ihr Glück versuchen. Und selbst dort haben sie hart zu arbeiten, was natürlich ihre Körper über die Jahre hinweg daran gewöhnt hat. Die Hauptstadt ist Eskandar, in der der Führer der Nortraven, Hetmann Wulfhold, seinen Sitz hat. Im Norden, wenige Seemeilen nördlich des Festlandes, liegt die Insel Arngold, an die die riesige Schneefläche Winteröd angrenzt, was für den Norden des Norlandes charakteristisch ist. Die Nordgrenze ist kalt und es gibt häufig Schneefall. Das Meer ist zu kalt, als dass normale Menschen einen längeren Aufenthalt darin überleben könnten. Doch auch hier kommt wieder die große Kälteresistenz zum tragen. Eine weitere Stadt ist Sturmbach und das wohl größte Fischerdorf heißt Dornwald. Ansonsten gibt es nicht viel über die Heimat der Nortraven zu sagen, bis auf einen berühmten Ausspruch von Rodarof Kelthwen, nachdem er aus dem wärmeren Süden zurückgekehrt war:
„Ja, der Süden ist wärmer und fruchtbarer. Auch ist dort wesentlich mehr Volk unterwegs und die Feldarbeit ist leichter. Doch jeder anständige Nortrave muss von Natur aus froh sein, wieder in sein kaltes, rauhes Norland zurückzukehren und sei es noch so öde.“
Das ist wohl wahr, denn die Nortraven gewöhnen sich genau wie jedes andere Volk an ihre Heimat und empfinden alle anderen Länder als zu warm oder zu verwirrend. Und auch wenn mal neidische Kommentare zur leichten Feldarbeit in anderen Ländern fallen, so ist doch jeder Nortrave mit genügend Kraft versehen, um das zu ertragen. Der berühmte Seefahrer und Abenteurer Gidar Sörens sagte einst über seine Heimat:
„Wenn dich das erste Mal die Kälte des Nordens umfängt, du die Wölfe der weiten, kargen Steppen hörst, und das klare Mondlicht dich umfängt, dann weißt du, dass du in unserem Land bist, dem Land der nordischen Götter und dem Mut der Männer, die in Büchern und Sagen schon immer niedergeschrieben waren.“
Die Geschichte der Nortraven und des Norlands
Die Geschichte der Nortraven wird von ihnen selbst in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil beschreibt den Zeitraum vom Beginn ihrer Kultur bis zur Niederlage von Herold Oieff in der Schlacht bei Mittenwald im Süden des Norlands. Die nortravischen Heere, die den Krieg durch ihre verstärkten Plünderungen herausgefordert hatten, waren vernichtend geschlagen und der Rest wurde auch bald unterworfen. So wurden überall im Norland Soldaten Galadons stationiert, die für Ruhe sorgten. Nach und nach begannen die Nortraven sich daran zu gewöhnen, auch wenn sie niemals ihren Freiheitswillen aufgaben und ihren Unwillen, zum Galadonischen Reich zu gehören. Doch die Jahre vergingen ereignislos und viele neue Berufe und Stände entstanden. Das Bürgertum breitete sich aus und die ehemals räuberischen Berserker bekamen eine Beschäftigung in der Marine des Königs. Zwar waren sie nicht unbedingt glücklich, doch immerhin konnten sie ihre bisherigen Qualitäten weiter ausleben.
Eine wichtige Sache ist auch, dass der Süden des Norlands besiedelt wurde, der bisher nur zur Verteidigung gegen das Galadonische Reich verwendet worden war. Das brachte viele Umbrüche mit sich, die niemals für möglich gehalten worden waren. Viele Nortraven, die dorthin siedelten, wurden Ackerbauern und Pferdezüchter. Auch entsagten sie immer mehr der See und der absoluten Nordkälte, sodass sich eine religiöse Reform riesigen Umfangs durchsetzte. Da die südlich lebenden Nortraven weder vom Wind noch vom Meer abhängig waren, begannen sie diese Fähigkeiten von Thjarek und Eydis als überflüssig zu empfinden. Anfangs taten sie einfach so, als besäßen ihre Götter die Fähigkeiten von Wind und Wasser nicht mehr, doch über die Jahrzehnte entwickelte sich ihr Glaube an Wolthar und Gea. Diese Gottheiten hatten nur die Eigenschaften, die den südlich lebenden Nortraven als nützlich erschienen. Hierdurch kam es fast zum ersten Bürgerkrieg der Nortraven, da die Geweihten aus dem Norden die religiöse Wandlung der südlicheren als Ketzerei bezeichneten. Schließlich wurde der Konflikt jedoch friedlich beendet und seitdem sehen alle Nortraven Wolthar und Gea als Kinder von Thjarek und Eydis an.
Wieder verstrichen viele Jahre und die Unterschiede zwischen Norden und Süden begannen wieder zu wachsen. Es erhoben sich neue Stimmen, die zum Bürgerkrieg aufriefen, doch dazu sollte es nicht kommen. Es geschah nämlich, dass eine Armee von Orks über die Grenze ins Norland brach. Sofort einten sich alle Streitkräfte der Nortraven und in einer letzten schweren Schlacht wurden die Orks im Furchental besiegt, das nun Orkpass heißt. Der rasche Sieg brachte auch einen neuen Führer der Nortraven hervor, Hetmann Wulfhold.. Dieser hatte sich als Krieger außerordentlich bewährt und war über die Maßen groß und stark. Nach dem Tod des alten Führers bestimmten die Geweihten des Landes ihn fast einstimmig, da er der Kandidat war, der die meisten Eigenschaften von Thjarek und Eydis in sich verband.
So blieb das Norland eine Weile in Frieden und nach und nach begann Galadon nun seine Soldaten abzuziehen, die den Nortraven jedoch vor allem im Ackerbau viel beigebracht hatten. Und wie es das Schicksal wollte, fielen nach dem Abzug der letzten galadonischen Truppen im Jahre 10 n. Hilgorad Barbarenstämme im Norland ein. Hetmann Wulfhold, der gerade alle Drachenboote voll mit Berserkern gegen die Piraten geschickt hatte, die ihr Unwesen trieben, hatte wenig Möglichkeiten. Er schickte alle übrigen Truppen der Nortraven wieder zum Orkpass, wo jedoch nahezu alle ausgelöscht wurden. Die letzten Soldaten, die auf dem Festland verfügbar waren, schafften es jedoch, die Barbaren zu vertreiben. Zu dieser letzten Barbarenschlacht sind viele Legenden entstanden, hauptsächlich um die Thorganson Brüder, die einen wesentlichen Anteil am Sieg der Nortraven trugen. Manche sagen gar, sie seien im Kampf von guten Geistern besessen gewesen oder Thjarek hätte mit seinem Sohn Wolthar in den Kampf eingegriffen, doch was wirklich geschah ist heute nicht mehr bekannt. Auch die wilden Legenden klangen in den Ohren vieler so unglaubwürdig und erfunden, dass sie heute nur noch in der Heimat der Thorgansons bekannt sind.
Dann kam ein Ereignis, das wohl eins der wichtigsten in der Zeit unter dem Galadonischen Reich ist und die bisher geschehene Geschichte abschließt. Im Jahre 1 des Königs Hilgorad beschloss dieser, eine Umrundung von Falandrien zu wagen. Natürlich wurden dazu nortravische Boote und Seefahrer gebraucht und Armgard Torbanson war Kapitän der Nordwind. Viele Nortraven verteufelten ihn dafür, dass er den Galadoniern half, doch er begann mit der Fahrt. Durch ungünstige Gelegenheiten, die das Leben vieler Männer kosteten, landete er schließlich auf einer unbekannten Insel, die Siebenwind getauft wurde. König Hilgorad gliederte auch sie in sein Reich ein und gab dem Führer der Nortraven, Hetmann Wulfhold, dafür größere politische Rechte und Freiheiten. Im Jahre 13 nach Hilgorad wurde zwischen den beiden Völkern der endgültige Friedensvertrag geschlossen. Nach Jahren der Feindschaft sollte er garantieren, dass die Völker nun in Frieden miteinander leben könnten. Erste wirtschaftliche Beziehungen wurden bereits geknüpft als Anfang eines langwierigen Prozesses.
Gesellschaft
Ganz oben in der Hierarchie der Nortraven steht zur Zeit Hetmann Wulfhold von Eskandar, Führer der Nortraven, der 3 v. Hilgorad offiziell anerkannt wurde. Seit der großen Barbarenschlacht im Orkpass haben die drei Thorganson Brüder auch einiges Ansehen erreicht, das sich jedoch nur in ihrem Heimatort, Dornwald, gehalten hat. Eine weitere, wichtige Persönlichkeit ist Herold Daktan, ein hoher Offizier der nortravischen Heere. Durch seine vielen Seefahrten und einige Schlachten zu Schiff hat sich ebenso Rodarof Kelthwen ein gewisses Ansehen verdient. Nicht vergessen darf man hier natürlich Armgard Torbanson, den wohl besten Kapitän und Schiffbauer, der zur Zeit unter den Nortraven lebt und die Insel Siebenwind im Auftrage des König Hilgorads entdeckte. Zwar waren nicht alle Nortraven begeistert darüber, dass er den Auftrag des Königs annahm, doch schließlich tat er es für die politische Unabhängigkeit des Norlands. Und da er dazu noch den Ruf der Nortraven als beste Schiffsbauer und Kapitäne stärkte, war ihm rasch vergeben und er avancierte zum Volkshelden. Das Gesetz der Nortraven ist recht einfach geschaffen und lehnt sich stark an die Religion an. Bei den Prozessen wird nach den Aspekten der Religion und nach Aspekten des Weltlichen geurteilt. Vergehen, die irgendwie mit Gotteslästerung zu tun haben, werden mit bis zu lebenslanger Rudersklaverei bestraft. Da dies eine der unehrenhaftesten Strafen ist, würde so gut wie jeder Nortrave lieber die Todesstrafe erhalten. So bekommen Piraten meist die Todesstrafe, bleiben jedoch in religiösen Dingen unschuldig und können nach ihrem Tod ehrenhaft ins Reich von Thjarek und Eydis eingehen. Diebstähle und Einbrüche werden als Gotteslästerungen angesehen und Attentate und Morde sowieso. Attentäter bekommen stets die lebenslange Ruderstrafe, da sie sowohl schwere Verbrechen begehen, als auch mit ihrem Verhalten die Götter beleidigen. Ein wichtiger Punkt sollen auch die Unterschiede zwischen den Nord- und Südnortraven sein. Während die aus dem Norden in ihrer Gottesfurcht größer und in ihren Bräuchen traditionsbewusster sind, ist der Süden eher offen für Neues aus anderen Ländern. Das hat schon zu vielen Streitereien und durch die Geweihten fast damals zum großen Bürgerkrieg geführt, der jedoch noch verhindert werden konnte.
Von Natur aus sind die Nortraven groß gewachsen und kräftig. Ihre helle Haut stammt wohl von der mangelnden Sonne, doch ist sie leicht zu bräunen, denn viele Nortraven kamen aus dem Süden braungebrannt zurück. Ihre lange Haartracht, auf die sie sehr stolz sind, ist meist blond oder rothaarig. Nicht nur das Kopfhaar lassen sie lang herunterwachsen, sondern auch die Bärte reichen nicht selten bis zur Brust. Oft werden ihre Haarprachten durch Bänder, Perlen oder jeden erdenklichen Schmuck zusammengehalten oder zu Zöpfen gebunden.
Ihre Kleidung ist höchst unterschiedlich, doch man könnte versuchen, sie grob zu erfassen. Zuerst wäre zu sagen, dass in der Farbgebung stets Streifen oder andere bunte Muster auftauchen. Oft tragen sie Überwürfe oder lange Wollhemden und darunter eine einfache Hose. Jedoch gibt es auch lange Röcke, die besonders in der Schlacht große Beinfreiheit, jedoch wenig Schutz versprechen.
Wenn sie friedliche Zeiten haben, tragen sie auch öfters nur sehr wenig Stoff am Körper, da ihnen die Kälte herzlich wenig ausmacht und sie gerne ihre vielen Bemalungen zeigen. Obwohl sie von vielen als wenig auf ihr Äußeres bedacht gesehen werden, lieben sie es doch, viel Schmuck aus den verschiedensten Metallen zu tragen. Besonders begehrt sind schwere Ohrringe und Ketten. Einen Hang zum Schweren beweisen die Nortraven jedoch auch in der Wahl ihrer Stiefel, Gürtel und Mäntel, wenn sie gelegentlich welche tragen. Um noch einmal auf ihre Bemalungen einzugehen: In den Geschichten der älteren Zeiten wird zwar erzählt, dass sie lange und komplizierte Tätowierungen hatten, die teilweise den ganzen Körper bedeckten, so ist es doch ungewiss, was daran wahr und was Legende ist. Auch heute tragen viele Nortraven noch Tätowierungen, jedoch sind sie bei weitem nicht so groß und aufwändig wie in den Legenden. Die zweite Art von Bemalung ist die Kriegsbemalung. Diese wird dann aus hergestellten Farbstoffen in besonderen Mustern aufgetragen und soll die Feinde entmutigen, sowie sich selbst stärken.
Nortraven sind wild, kühn und größtenteils furchtlos. Sie lieben Herausforderungen und messen ihre besonderen Stärken, wie Kraft und Härte in allerlei Disziplin, im Wettkampf. Ihre Kälteverträglichkeit ist extrem hoch und man sagt sich, sie würden schon als Kinder in den eiskalten Bächen und Seen schwimmen lernen. Aufgrund dieser und anderer Legenden sind die körperlichen Fähigkeiten sowie geistiges Durchhaltevermögen bei anderen Rassen berühmt und gefürchtet. Trotzdem haben diese Seiten nicht nur Vorteile, denn schon oft sind Nortraven blind in den Tod gezogen, ohne nach besseren und vielleicht ein wenig unehrenhafteren Wegen zu suchen. Ihr verblendeter Stolz und ihre Ablehnung von übermäßiger Klugheit können leicht gegen sie genutzt werden.
Wenn man unvorbereitet ins Land der Nortraven zieht, dann sollte man ein paar Legenden über die Nortraven aus früheren Zeiten lesen. Dann hat man ein Bild der Nortraven, doch sollte man sie sich ein wenig friedlicher und zivilisierter vorstellen als in den vergangenen Tagen. Das soll nicht heißen, dass die Nortraven lieb und nett wären. Jeder Adelige würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn er die Tischmanieren oder das sonstige Verhalten der Nortraven erleben müsste. Denn auch heute gibt es noch Duelle bis zum Tode und ähnliche Bräuche. Als kulturelle Errungenschaft sind natürlich die Drachenboote anzusehen. Sie sind ideal für Seeschlachten und Überfälle, da sie sehr schnell fahren und wendig sind. Kunst kennen sie fast nicht, bis auf Schmiedekunst und einige Schnitzereien oder Gegenstände aus Stein und Holz. Poesie vertragen sie nur bis zu einem gewissen Maße, weswegen Skalden bei ihnen einen schweren Stand haben. Alles, was sie gelegentlich hören, sind Kriegslieder, die sogar recht beliebt geworden sind und kleine, einfach zu verstehende Komödien, die besonders in Tavernen gefragt sind. Doch wenn es allzu lustig wird, kann es schon mal vorkommen, dass die Nortraven vor Lachen um sich schlagen und einiges Mobiliar zu Bruch geht. Das passiert auch, wenn die Nortraven mit der Darbietung nicht zufrieden sind. Doch dann sind betrunkene Nortraven für den Skalden sogar gefährlich und es könnte passieren, dass mit dem Mobiliar auch ein oder zwei Knochen des Skalden Schaden nehmen. Da die Stimmen der Nortraven eher rauh und knurrig sind, schaffen es auch die Skalden selten, besser zu werden als Skalden der Menschen. Doch der kleine Wettstreit, den zumindest die Nortraven gegenüber den Menschen im Kopf haben – man erinnere sich an die Wettkampffreudigkeit, gleicht sich aber an anderen Stellen wieder aus, je nachdem unter welchem Aspekt man dies sieht. Ebenso sollte man wissen, dass Nortraven jegliche Art von Magie zuwider ist. Sie vertrauen auf die Fähigkeiten, die ihre Götter ihnen gegeben haben. Magie hingegen lässt sich mit diesen Talenten und mit dem Glauben an ihre Götter nicht vereinbaren und wird bisweilen sogar als gotteslästerlich angesehen.
Sollte man also einen Nortraven mit magischen Formeln heilen, ihm im Dunkeln Licht spenden oder allgemein in seiner Anwesenheit magische Formeln sprechen, kann es im schlimmsten Falle sogar sein, dass man „zum Dank“ dafür seine Waffe zu spüren bekommt. Nortravische Druiden und Schamanen hingegen werden geduldet, dennoch werden sie mit Skepsis beäugt.
Biologisch gesehen sind Nortraven zwar Menschen, doch wird jeder Nortrave darauf pochen, dass er Nortrave und kein Mensch ist. Bezeichnet man einen Nortraven als Mensch, kann es sogar sein, dass dieser darauf sehr ungehalten und aggressiv reagiert. Schließlich wurden die Nortraven nach ihrem Glauben nach dem Abbild der Götter geschaffen. Zuviel unterscheidet einen Nordländer und einen gewöhnlichen Menschen. Ehre und Wahrheit sind für Nortraven überaus wichtig und nur in äußersten Notsituationen würde ein Nortrave lügen. Reichtum und Glanz ist im Allgemeinen nicht das Lebensziel eines guten Nortraven. Das Wohl der Gemeinschaft steht immer im Vordergrund. Nortraven sind sehr naturverbunden und würden nie ein Tier nur aus Spaß am Jagen töten. Sie sind ihren Göttern treu ergeben und sind darauf bedacht, sie nicht mit unüberlegten Handlungen zu erzürnen. Selbst in größter Not würde es einem Nortraven nicht einfallen, sich von seinen Göttern abzuwenden. Sie sind davon überzeugt, dass alles, was geschieht, von den Göttern gewollt ist und dass Not, Hunger und der Verlust von Geliebten Prüfungen sind, die ihnen von den Göttern auferlegt werden.
Im Großen und Ganzen bleiben zwei wichtige Dinge, die es zu bedenken gilt: Erstens sind die Nortraven wilde Krieger, die wenig Probleme damit haben, einem Feind den Kopf abzuschlagen, die nicht lange zögern und auf Beleidigungen ganz empfindlich sind. Doch zweitens sollte man bedenken, dass auch Nortraven lebende Wesen sind und gute Eheleute und liebevolle Eltern sein können!
Die Nortraven besitzen wie jedes Volk eine eigene Religion. Ihre obersten Götter sind Thjarek und Eydis. Dann kommen ihre beiden Kinder, Gea und Wolthar. Thjarek ist der männliche Gott, der unter den Nortraven einen etwas höheren Stellenwert als Eydis besitzt. Während Thjarek den Männern Kraft und Härte verleiht und das Meer beherrscht, ist Eydis Göttin der Natur und des Windes. Es zeigt sich, dass Thjarek besonders den Männern nützt und Eydis den Frauen, daher stammt wohl auch die Einteilung in einen männlichen und einen weiblichen Gott. Wenn man nun diese beiden Götter mit denen aus anderen Religionen vergleicht fällt auf, dass Thjarek Attribute von Bellum und Xan in sich vereint. Sein Zeichen, mit dem die Nortraven ihn bedacht haben, ist ein Hammer, der von einer Hand aus dem Meer emporgehoben wird. Eydis besitzt die Eigenschaften von Ventus und Rien und wird mit einem Blatt symbolisiert, das im Wind weht.
Ihren Kindern haben Thjarek und Eydis jeweils eine Eigenschaft vererbt. So hat Gea von ihrer Mutter das Göttliche in der Natur geerbt, während Wolthar von seinem Vater das Kriegerische mitnahm. Wenn man es genau betrachtet, ist Gea das Gegenstück zur menschlichen Göttin Rien und ihr wurde von den Geweihten ein Blatt als Zeichen zugewiesen, das grün und frisch an einem Ast hängt. Wolthar ist in gewissen Dingen Bellum ähnlich, sein Zeichen ist eine doppelschneidige Axt, die mit einer Seite des Blatts im Boden steckt.
Somit hat die religiöse Entwicklung der Nortraven statt der vier Götter der Menschen zwei eigene hervorgebracht, die alle Eigenschaften der anderen in sich vereinen. Der Vorteil daran ist, dass die Nortraven nie einen religiösen Wechsel in Betracht ziehen würden, da ihre beiden Götter die Macht von vier Göttern der Menschen besitzen (wie sie es nennen) und alle Bedürfnisse der Nortraven befriedigen. Zur Entstehung von Gea und Wolthar: Nachdem die Nortraven sich auch weiter in den Süden ihres Landes entwickelten, begannen dort Wind und Wasser keine großen Rollen mehr zu spielen. Somit begannen die dortigen Krieger an Wolthar zu glauben, der für ihre Bedürfnisse ausreichte. Ebenso war es mit Gea, da für die Nortraven, die im Süden Äcker bestellten, die Natur mehr zählte als der Wind. Jedoch besitzen beide, Gea und Wolthar, im Norden einen weit geringeren Stellenwert als sie im Süden besitzen, da die nördlicheren Nortraven alle wichtigen Attribute in Thjarek und Eydis haben. Die Nortraven beziehen viel aus ihrem Leben auf ihre Gottheiten. Wenn zum Beispiel die See tobt und vom Wind aufgewühlt wird, sodass selbst die Fähigsten keine Schiffe besteigen sollten, dann glauben die Nortraven an einen Streit zwischen Thjarek und Eydis, der erst wieder abflaut, wenn sich das Wetter milder stimmt. Daran sieht man, wie verbunden dieses Volk seinen beiden Gottheiten ist. Sollten die Nortraven eine schlechte Ernte oder andere Unglücke erleben, so kommen sie nie in den Glauben, dass ihre Götter sie bestraft hätten. Sie glauben an Streit oder Missmut der Götter gegenüber anderen oder daran, dass die Götter sie dadurch auf eine Probe stellen wollen.
Die einzigen, die die Götter nach dem Glauben der Nortraven wütend machen, sind die Diebe und Streuner, da sie ihre Gaben, die sie von den Göttern erhalten, nicht nutzen. In diesem Fall glauben sie jedoch daran, dass die Götter nur auf diejenigen Diebe wütend sind und dem übrigen Volk wohlgesonnen sind, sobald diese die Diebe einsperren oder hinrichten. Denn da die Nortraven ein gottesverbundenes Volk sind, ist ihre Bestrafung von Gotteslästerern wie den Dieben besonders hoch. In nicht wenigen Fällen werden Diebe bei ihrer Ergreifung mit lebenslangem Dienst als Ruderer auf Schiffen bestraft. Zwar werden Piraten meist mit der Todesstrafe versehen, doch diese Strafe ist ehrenvoller als die eines Rudersklaven. Denn Piraten werden nicht als Gotteslästerer angesehen, nutzen sie doch Stärke, Härte, Mut und Seefahrertalent. So sagte einst Rodarof Kelthwen, ein berühmter Berserker nach der Hinrichtung eines Piraten 1 n. Hilgorad:
„Es ist eine harte Strafe, aber jeder Pirat stirbt mit Ehren. Zwar sind sie von unserem Gesetz verteufelt, doch sie nutzen die Gaben der Götter und sterben als Männer. Glaubt mir, sie können es vertragen so zu sterben, doch einen Piraten zu einem Rudersklaven machen wäre eine Schande für den Piraten sowie eine Beschimpfung von Thjarek und Eydis.“
Anderen Göttern stehen die Nortraven eher feindselig gegenüber. Daher kommt es nicht selten vor, dass nortravische Piraten oder Eroberer fremde Kirchen und Tempel in Schutt und Asche legen. Die heiligen Gegenstände, die sie dann als Beute mitnehmen, werden ihren Göttern geopfert. Das soll den Sieg von Thjarek und Eydis über die anderen Götter symbolisieren. Zwar gibt es sehr wenige Geweihte der Gottheiten, doch dafür stehen diese in gewaltigem Ansehen. Die Prüfungen, die den Geweihten auferlegt werden, um ihrer Berufung nachgehen zu dürfen, sind nämlich alles andere als leicht. So müssen sie in verschiedenen Wettkämpfen gegen die Natur beweisen, dass Thjarek und Eydis ihnen wohlgesonnen sind. Eine Disziplin wäre beispielsweise das lange Ausharren in eiskaltem Wasser oder die alleinige Seefahrt mit einem Boot während die Götter streiten. Nachdem man einmal selbst gesehen hat, wie ein Geweihter eine Prüfung absolviert hat, kann man verstehen, warum sie in so hohem Ansehen stehen. Hierzu die Stimme eines Geweihten nach der bestandenen Prüfung im Jahre 6 v. Hilgorad:
„Nach dieser Prüfung kann ich ohne Zweifel sagen, dass Thjarek und Eydis mir beistanden. Etwas, was den Körper derart über alles Normale hinaus fordert, kann ohne ihre Hilfe nicht geschafft werden. Ja, auf See ist mir klargeworden, dass ich mich vollkommen auf die Fähigkeiten verlassen musste, die sie mir gaben, und letztendlich haben sie mich hindurchgeführt.“
Im Süden des Landes nehmen die Geweihten Gea und Wolthar mit in ihre Gebete auf und verehren sie sogar fast mehr als Thjarek und Eydis. Die einzigen religiösen Spannungen zwischen Nortraven gibt es zwischen den nördlichen und südlichen Geweihten, die sich über die Rolle von Gea und Wolthar streiten. Einen außergewöhnlichen Stellenwert nimmt bei den Nortraven der Tod ein. Man wird in ihrer Sprache kein Wort für den „endgültigen Tod“ finden, denn sie glauben, dass Thjarek ihnen nach ihrem Dahinscheiden einen Stuhl unter seinem Thron anbietet, wenn sie ihr Leben nach seinen Idealen gelebt haben. Nortraven, die hauptsächlich die Gaben von Eydis und Gea genutzt haben werden einen Platz unter ihren Thronen finden. Denn in der Halle von Thjarek und Eydis, die auf einem riesigen Schiff thront, sitzen die beiden Götter nebeneinander. Zu ihren Füßen sitzen Wolthar und Gea, wobei diese Vorstellung schwankt, je nachdem wo im Norland man es erzählt bekommt. Diejenigen, die alle Gaben ihrer Götter ausgeschlagen haben und sich anderer Mittel bedienten, müssen selbst nach ihrem Tod noch als Rudersklaven das riesige Drachenschiff von Thjarek und Eydis vorwärts bewegen. Dieses Drachenboot soll übrigens der Ursprung der Norddrachen gewesen sein. In den heiligen Schriften der Nortraven steht geschrieben:
„Einstmals ging Thjarek über sein Schiff und sah über die Reling auf seine Welt hinunter, die er frisch geschaffen hatte. Er wollte das Norland auf ewig vor dem vollkommenen Übergriff aus anderen Ländern beschützen und beschloss Wächter zu entsenden. Da fiel sein Blick auf die Galionsfigur des Schiffes und er erkannte die Schönheit und gleichzeitig die Entsetzlichkeit des Drachen, der an dem Bug des Schiffes hing. Er trat zu ihm und hauchte ihm Leben ein, sodass dieser sich vom Schiff löste und einen gewaltigen, weißen Körper entwickelte, so weiß wie die Wolken auf denen das Schiff fuhr. Thjarek gab dem Drachen Befehle und dieser stieß hinab zur Erde um seine ewige Wacht zu beginnen.“
So wird also klar, dass die Nordwinddrachen die ersten Lebewesen in der Welt der Nortraven sind und nach der Spitze von Thjareks Schiff gebildet wurden. Die Entstehungsgeschichte sagt weiter:
„Und nachdem Thjarek und seine Frau Eydis das Wetter und die Winde geschaffen hatten, beschlossen sie ihre Welt zu bevölkern. Das erste Wesen erschuf Thjarek. Er vereinte in ihm eine Kraft, die jene nahezu aller anderen Lebensformen übersteigt mit dem Element Wasser. Er griff mit beiden Armen in die Wolken unter dem Schiff und formte daraus das Wesen, was er zuerst dem Drachen nachschicken wollte. Er hauchte auch ihm Leben ein und ließ es zur Erde gleiten, wo es auf immer in den riesigen Ozeanen leben sollte. Und er nannte das Wesen Wal.
Danach nahm auch Eydis Wolken in ihre Hände auf und formte hunderte Arten von Vögeln und entließ sie alle, auf dass sie die Lüfte mit Leben erfüllen sollten. Es folgten viele weitere Wesen, doch Thjarek und Eydis verlangte es danach, ihr Ebenbild in der Welt zu verewigen. So formten sie zusammen ein Wesen, ihnen gleich. Es war kleiner und nackt, doch von großer Kraft und Härte. Und Thjarek rief den weißen Drachen, seinen Helfer auf Erden und bestieg seinen Rücken. Der Drache sauste zur Erde und Thjarek setzte das neue Wesen ab. Und bald vermehrte und bevölkerte es das Norland. Die Nortraven waren geboren.“
Ebenso entstanden alle anderen wunderbaren Wesen dieses kalten, kargen Landes. Gea erschuf ihre Diener, die Feen und Kobolde, die seit daher die Fichtenwälder der Ebenen beschützen und sie erblühen lassen. Einhörner, damals noch wahrhaft zahlreich, nun aber soll nur noch ein einziges über jeden Wald wachen, Baumwesen und Nymphen entsprangen den Händen Geas und füllten das Land ein wenig mit Leben. Diese Wesen wurden bald ein fester Bestandteil der nordischen Mythologie und füllten Märchen und Sagen.
Aus dem Buch der Schöpfungsgeschichte
… Es war leer im Raum, und nichts war außer dem ewigen Eis im Norden um dem Feuer im Süden, das hell loderte. Und die Ströme des Feuers wanderten nach Norden, wie das Eis nach Süden, und als sie aufeinandertrafen, schmolz das Eis und wurde zu Wasser, und das Wasser verdampfe und bildete Nebel, der sich in alle Richtungen ausbreitete und das Nichts füllte. Da regten sich im Nebel zwei Gestalten, entstanden aus der Macht des Feuers und der Kraft des Wassers. Ein Mann erhob sein Haupt über die Elemente, und er sprach seinen Namen, denn er war Thjarek, der Gott der Götter, der Herr der Welt. Gar gewaltig war er anzusehen, stolz die Brust geschwellt, die Haare blond, lang und ungebändigt und die blauen Augen blitzten ob seiner Macht. Eine zweite Gestalt trat aus dem Nebel und hob das schöne Antlitz über die Welt, und auch sie sprach ihren Namen, denn es war Eydis, die weise Gemahlin des Thjarek, deren Haar lang und blond wallte und deren Schönheit mit nichts zu vergleichen war. So standen die beiden Götter inmitten des Nebels, des Eises, des Wassers und des Feuers und sie sprachen nichts mehr, Äonen lang.
Und dann war da der Wille und Thjarek sprach zum Wasser, denn dies war sein Element. So sprach der Allmächtige: „Wasser der Welt, fließe in das Nichts und fülle es, auf dass es sei“. Rauschend füllte das Wasser des Nichts und die Meere und Ozeane entstanden, und was er sah gefiel Thjarek. Und Eydis, die Herrin sprach zum Nebel: „Nebel der Welt, fülle den Raum über dem Wasser, auf dass er die Luft sei“. Dem Befehl der Göttin gehorchend stieg der Nebel auf und bildete Luft, Wolken und Wind und ihr Werk gefiel Eydis. Dann sprach sie zu dem Feuer. „Erhebe dich und beleuchte, was wir geschaffen haben“, und das Feuer setzte sich an den Himmel und leuchtete als Sonne, Mond und die Gestirne. Lange schwebten sie über dem Wasser und bewunderten, was sie geschaffen hatten, doch es war ihnen nicht genug. So fasste Thjarek Eydis bei der Hand und sprach: „Erhebe dich“, und aus den tiefen der Meere erhob sich das Land. Eydis die Weise sprach: „Forme dich“, und die Erde wölbte sich auf und bildete Berge und Täler, Ebenen und Schluchten, Buchten und Fjorde.
Doch kahl und leer wirkte das Land, das sie geschaffen hatten, und Eydis nahm von dem Eis des Nordens und dem Feuer des Südens und verbarg beides in ihrer Hand, als sie ihren Atem hineinblies und auf die Erde schickte, und aus ihrem Atem, dem Eis und dem Feuer wurden die Pflanzen, die blühten und grünten und die Welt verschönten. Das sah Thjarek und er nahm von dem Wasser, dem Eis und der Erde und blies seinen Atem darauf und warf es hinunter auf die Erde, und die Tiere entstanden und lebten in den Wäldern und auf den Weiden der Welt. Und Thjarek und Eydis wandelten über die Erde um zu bewundern, was sie geschaffen hatten, doch die Pflanzen beugten sich vor ihren Schöpfern und die Tiere versteckten sich ängstlich. Da runzelte Thjarek der Allmächtige die Stirn, dass die Erde bebte und schuf aus seinem Willen ein Schiff, das am Himmel entlang fuhr und welches sein Heim sein sollte. Von dort oben herab sah er verächtlich auf die Welt herab und sprach zu Eydis: „Wir werden ein Volk nach unserem Ebenbild schaffen, dass stark ist und sich vor niemanden verbeugt oder versteckt, es sei denn vor seinesgleichen, und es soll leben im hohen Norden, wo es immerdar kalt ist, auf dass es stark werde“, so sprach der Allmächtige Thjarek. Und er sah die Figur am Bug seines Schiffes und erkannte in dem Drachenvollendete Schönheit und große Macht, und er trat heran und hauchte dem Wesen leben ein, auf dass es das Land des Nordens, in dem Thjareks Volk leben sollte, beschützte. Der mächtige weiße Drache erhob sich vom Bug des Schiffes und stieß hinab zur Erde, um auf immer seine heilige Wacht zu beginnen. Und Thjarek war zufrieden mit seinem Werk.
Dann griff er nach dem Feuer, der Erde und dem Eis und formte daraus ein Wesen, dass ihm und Eydis glich, auch wenn es kleiner war. Das Götterpaar trat heran, und beide hauchten dieser Schöpfung leben ein. Dieses kleine Wesen, das im Land des Nordens, dem Norland, leben sollte, nannte Thjarek Nortraveund gar stolz schwellte sich seine Brust, als er die Stärke des Willens und des Körpers dieses kleinen Wesens erkannte. Er rief den Drachen zu sich, nahm den ersten Nortraven und kehrte zur Erde zurück, um ihn in seiner rauen Heimat anzusiedeln und weitere dieser Rasse zu schaffen. Und um ihr seine Liebe zu beweisen, machte er sie stark gegen die Kälte, und gab ihr die Kraft, sein Element, das Meer zu beherrschen. Und Eydis sandte ihre Winde, um die Schiffe ihres Volkes schnell wie die Pfeile über die Meere zu tragen. Da griff Thjarek in die Berge und nahm von dem besten Metall, das er fand, und formte es nach seinem Willen und mit seiner Macht zu einer Waffe, die einen Hammer darstellte und fand, dass es gut war. Die Nortraven vermehrten sich rasch und Thjarek sah stolz hinab auf sein Volk, das immer stärker wurde. Doch rasch merkte er, dass seine Wesen starben, dass sie nicht mit der Unsterblichkeit eines Gottes gesegnet waren, und er erschrak zutiefst, tat es ihm doch um jedes seiner Wesen Leid.
Und so schuf er die Rabainsteine, drei mächtige Säulen, die er in die Tiefen des Solvej-Bergmassivs stellte. Jede dieser Säulen stand für eine Fähigkeit seines Volkes, für Mut, Stärke und Weisheit, und Thjarek richtete seinen Willen auf die Säulen und befahl ihnen, den Geist eines jeden gefallenen Nortraven zu ihm auf sein Schiff zu bringen, auf dass er dort ein ewiges Leben an der Seite seiner Götter verbringe. Und die Säulen erglühten im blauen Licht der Macht Thjareks und Eydis‘ und fortan kam jeder Nortrave nach seinem Tod an Bord des Schiffes seines Gottes und saß an seiner Seite. Und Eydis, die Kluge, stieg hinunter auf die Erde und verbreitete die Kunde von den Taten ihres Mannes, und die Nortraven jubelten zu ihren Göttern und gar dankbar wurden sie noch mutiger, klüger und stärker.
Zu jener Zeit zeugte Thjarek mit Eydis zwei Kinder, den gewaltigen Wolthar, dessen Kraft im Kampf unerreicht war und die liebliche Gea, deren Macht über die Erde unbeschreiblich war. Und mit ihren Kindern sahen die Götter hinunter auf die Erde und sahen die Nortraven, die sich untereinander bekriegten und töteten, um Thjarek zu zeigen, wie stark sie waren. Das erzürnte den Gott, und der hob seinen Hammer, um ihn auf die Nortraven zu schleudern und sie zu bestrafen, doch die listige Eydis flüsterte ihm ins Ohr, den Nortraven Feinde zu geben, um ihre Stärke auf die Probe zu stellen. Da ließ Thjarek der Allmächtige den Hammer sinken und griff in die Wolken, hauchte dem Nebel in seiner Hand Leben ein und ließ ihn in die fruchtbaren Gegenden der Welt sinken, und aus diesem wurden die Menschen.Sie waren nicht so stark wie die Nortraven, doch zahlreich wie die Regentropfen. Dann griff Eydis in die Wälder, nahm einen Baumstann und formte ihn und ließ ihn zu Erde sinken, und daraus wurden die Orken, rauh wie der Stamm doch hart in ihrer Art. Dann griff Thjarek nach dem Metallen in der Erde und formte daraus die Zwerge, die zwar klein an Gestalt waren, doch hart und stark wie das Eisen, aus dem er sie machte. Eydis griff hinauf zum Himmel und nahm die Strahlen der Sonne und schuf mit ihrem Atem die Elfen, die weil sie von Eydis gemacht waren, klug und schön waren. Und Thjarek runzelte die Stirn ob der Wesen, die sein Weib schuf, griff unter die Erde und nahm die Knochen der verstorbenen Wesen, formte sie und hauchte den Toten leben ein und setzte sie auf eine einsame Insel, auf der ein Vulkan tobte, so erschuf er die Myten, als Gegenbild der Elfen. Gea, reich an Schönheit und Kraft, griff in die Wasser und die Erde und formte ein kleines Volk, das sie Halblinge nannte, da diese kleiner als Zwerge waren. Sie schuf dieses Volk als Freund von jedermann. Als Thjarek sah, was seine Tochter tat, war er stolz und zufrieden mit ihr. Wolthar verlangte es danach, ebenfalls ein Volk zu erschaffen, und er griff und das Wasser und schuf im hohen Norden ein Volk aus diesem. Doch als Thjarek sah, was sein Sohn tat, wurde er zornig, da er keine anderen Wesen im Norland wollte, als sein eigenes Volk. Noch bevor Wolthar diese Wesen vollendet hatte, warf er seinen Hammer unter sie und durch die Wellen, die entstanden, kamen Ebbe und Flut. Da griff Eydis, die Liebevolle, ein und schuf im hohen Norden ein Land, das sie Nejbold nannte, und Thjarek verbannte die Wasserriesen dorthin. Doch in der Kälte des Nordens gefroren sie zu Eis und konnte sich nicht bewegen, und Trauer um seine Schöpfung beschlich Wolthar. So eilte er nach Nejbold und verlieh den Eisriesen von seiner Kraft, damit sie sich bewegen konnten, und formte ihnen aus Eis und Schnee Köpfe, dass sie denken konnten. Schnell eilte er wieder zurück an die Seite seines Vaters, auf dass dieser nicht merkte, was sein Sohn getan hatte. Doch die Riesen sahen die Nortraven und ihr Gedeihen und suchten nach einem Weg über das Meer, um in jenem Land leben zu können, und ihr Hass auf die Nortraven war gewaltig, denn diese waren des erwählte Volk von Thjarek. Und so schufen die Götter alle Völker Tares, um eine Herausforderung für die Nortraven zu schaffen.
Doch diese Völker wussten, dass sie nicht unter dem Schutz eines Gottes standen und fürchteten sich vor der Welt, in der sie ohne Götter lebten. Und so erfanden sie ihren eigenen Götter und begannen zu ihnen zu beten und verhielten sich anders, als Thjarek es erwartet hatte. Und als er an die Reling seines Schiffes trat und auf die Erde hinabsah, sah er die Völker zu ihren Götzen beten und sich der Magie verschreiben, die entstanden war, als die Erde die Macht des Feuers unter sich begrub und erstickte bis auf eine heiße Glut tief im Erdinnern. Was er sah, erzürnte Thjarek und so stieg er hinunter auf die Erde und schleuderte seinen Hammer mit der vollen Kraft seiner Wut inmitten die Ungläubigen. Ein gewaltiges Erdbeben erschütterte die Erde, das Land versank im Meer, gewaltige Wellen suchten die Küsten heim, und das Meer flutete in die entstandene Erdspalte um jede Spur der Frevler zu bedecken. Dort, wo einstmals Thjarek seinen Hammer auf die Erde schleuderte, ist heute das Binnenmeer Linfahrt, wo einst der größte Tempel der Götzen stand. Und abermals wollte Thjarek ausholen und den gesamten Rest der Ungläubigen vernichten, als Gea zu ihm trat und ihn bat, ihrer Erde keine Wunden mehr zuzufügen. Voller Verwunderung ließ er den Hammer sinken und sah auf das Binnenmeer, und Trauer mischte sich in die Wut des Gottes und löschte sie, denn er sah seinem eigenen Wert Schaden zugefügt.
Dann trat Eydis, die Listige, zu ihm und raunte ihm in sein Ohr, dass es nichts Besseres gäbe als diese Ungläubigen, um die Nortraven auf eine immerwährende Probe zu stellen und ihnen gleichzeitig zu zeigen, wie sie nimmermehr werden sollten. Und Thjarek verstand, und hängte den Hammer zurück an seinen Gürtel, und beschloss, nicht wieder in das Schicksal seines Volkes einzugreifen, denn es sollte seine eigene Stärke beweisen. So kehrte er an Bord seines Schiffes zurück und feierte mit den gestorbenen und nun unsterblichen Nortraven an seiner Seite. Doch nie wandte er seinen Blick von der Erde und seinem Volk ab, sondern sah mit Freude, wie es wuchs und gedieh und wie die anderen Völker zu der größten Probe seines Volkes wurden.
Hetmann Wulfhold
Im Jahre 42 v. Hilgorad geboren, erlebte der amtierende Hetmann im Norland alle großen Schlachten der letzten Jahre mit. Zuerst die Orkschlacht im Furchental, wo er mit dem Vater der Thorganson-Brüder kämpfte und später dann leitete er als Hetmann die Barbarenschlacht und den Befreiungsfeldzug gegen die Piraten. Nachdem der damalige Hetmann ohne Nachkommen gestorben war, wählten die Geweihten ihn aus, dessen Nachfolge anzutreten, da er im Krieg wie im Frieden wohl der Mann war, der seine gottgegebenen Eigenschaften am meisten und besten nutzte. So hatte er in der Schlacht wie ein Besessener gekämpft und anschließend dank seiner Kenntnisse in der Kräuterkunde viele Verwundete heilen oder ihnen den Schmerz lindern können.
Trotz seines mittlerweile hohen Alters ist Wulfhold zeigt sich kaum eine Spur der Alterung an ihm. Er besitzt noch immer einen jungen Körper, doch ein ernstes Gesicht und einen scharfsinnigen Geist, besonders für einen Nortraven. Seine Klinge vermag er immer noch gut zu führen, mit der Zeit wurde jedoch der Verstand seine wichtigste Waffe.
„Wahrlich ist Verstand nicht wichtig, wenn man im Kampfrausch in die feindlichen Stellungen rennt, doch mittlerweile geht es bei den großen Feldzügen und Kriegen nicht mehr ohne Taktik. Unsere Berserker wären mit Sicherheit in der Lage zu Land wie zur See Großes zu vollbringen, doch was nützt es ihnen, wenn hinter ihrem Rücken ihr Land niedergebrannt wird? Wenn die Armee eines Landes sein Arm ist, so braucht es immer noch Augen und Ohren, die es mit Nachrichten versorgen, und so braucht es einen Kopf, der alles oben zusammenfügt und leitet.“
Rodarof Kelthwen
„Alle Mann Backbord, wir rammen die Piraten! Verbannt Schreck und Furcht aus euren Herzen Männer, denn die Götter werden uns leiten. Eydis hat unseren Weg mit Wind gesegnet und nun werden uns Thjarek und Wolthar in der Schlacht beistehen. Springt hinüber in die Umarmung des Kampfrausches und schickt jeden einzelnen der Feinde an Bord von Thjareks Schiff, aufdass sie in seinen Hallen Vergebung finden mögen!“
Rodarof Kelthwen ist Spross einer Familie erstklassiger Krieger und wurde 21 v. Hilgorad geboren. So ist es nicht verwunderlich, dass auch er als Krieger und Seefahrer aufgezogen und schon mit neunzehn Jahren zum Berserker wurde.
Sein Vater stand als Berater in den Diensten des alten Hetmanns und wollte für seinen einzigen Sohn das gleiche Schicksal. Doch dieser geriet mit einer Mannschaft von Seemännern in eine Auseinandersetzung mit Piraten und erwies sich als ausgezeichneter Anführer. Am Hofe des Hetmanns hätte Rodarof eine schnelle Karriere gewunken, doch dieser zog es vor, als Berserker die Küsten zu sichern und in Aufträgen des galadonischen Königs zu segeln. Das soll nicht bedeuten, dass er ein Sympatisant Galadons wäre, doch von dort kamen nun einmal die besten Aufträge und waghalsigsten Abenteuer. Er wurde viele Jahre nicht im Norland gesehen, doch als er zurückkam, galt er als Außenseiter. Dann brachen im Jahre 9 n. Hilgorad große Piratenangriffe im Osten des Norlands los und Rodarof zog als einfacher Berserker in die Schlacht. Während anderswo der Barbarenkrieg begonnen und ausgetragen wurde, lieferte sich Rodarof schwere Kämpfe mit organisierten Piraten des Menschenreichs und des Norlands. Der Offizier und Kommandant seiner Einheit wurde bei einem Gefecht erschlagen und so übernahm Rodarof nach Abstimmung unter der Mannschaft das Kommando. Er liebte das Risiko und ließ keine Gelegenheit zu einem Kampf aus, sodass ihm, trotz einiger Verluste, bald ein Ruf vorauseilte, der bei den Piraten Wirkung zeigte. Die Schiffe mit den schwarzen Segeln wurden nun vorsichtiger und begannen teilweise sogar vor seinem Banner zu fliehen. Schon bald herrschte große Unstimmigkeit unter den Piraten, sodass die Nortraven den Krieg gewinnen konnten. Natürlich lag der Verdienst nicht allein bei Rodarof, doch er hatte genug getan um bei dem Hetmann wieder in Achtung zu stehen. In dem nächsten Jahr fuhr er noch dreimal fort und kam dreimal mit Berichten über ferne Schlachten und Abenteuer zurück. Mittlerweile hatte er eine treue Mannschaft und für jeden, der sie verließ, wollten zehn Neue an der Seite Rodarofs kämpfen.
Wahrscheinlich sah man in ihm den Berserker, den es seit der Niederlage gegen Galadon nicht mehr gegeben hatte und in vielen herrschte noch immer der Trieb aufs Meer zu fahren und dort zu kämpfen. Seit Jahrzehnten hatte es wegen den Plünderungen kaum noch Verwendung für Berserker gegeben, doch nun machte Rodarof den Nortraven vor, wie man das Berserkertum weiterleben lassen könnte.
„Wenn die Schlacht nicht zu dir kommt, musst du halt zur Schlacht kommen.“
Schließlich ist er im Auftrag Hetmann Wulfholds nach Siebenwind gereist, um dort den Oberbefehl über die Gründung einer Siedlung zu übernehmen.
Armgard Torbenson
Armgard Torbenson steht trotz seines noch jungen Alters schon seit über zehn Jahren im Ruf, der beste Kapitän Falandriens zu sein. Er wurde im Jahre 20 v. Hilgorad als Sohn eines Fischers geboren, seine Mutter starb bei der Geburt. Dann verlor er mit elf Jahren auch seinen Vater, der bei einer Waljagd im eisigen Nordmeer verschwand. Daraufhin wurde er ein Kind der Seefahrergilde, die ihn aufnahm und weiter erzog. Als Schiffsbauer erwies er sich recht geschickt und durfte bald sein eigenes, kleines Boot bauen, auf dem er fortan das Segeln übte. Anfangs halfen ihm erfahrenere Seefahrer dabei, doch bald stellte er sich als noch geschickter als beim Schiffsbau heraus und machte alleine lange Fahrten an der Küste entlang. Die alten Seebären staunten nicht schlecht, als er ihnen immer wieder seine Künste vorführte und ab seinem fünfzehnten Lebensjahr wurde er erster Offizier auf einem Drachenboot. Tag und Nacht werkelte er an seinem eigenen Boot, um es zu erweitern, oder fuhr mit dem Kapitän des Drachenboots Menschen hin und her. So kam es, dass er eine sehr schlechte schulische Bildung genoss, doch dafür ein ausgezeichneter Seefahrer wurde. Wieder vergingen die Jahre und als der junge Torbensen achtzehn war, ging der alte Kapitän in den Ruhestand. Armgard war nun Kapitän eines Drachenboots und bald sollte er auch Arbeit bekommen, denn im Jahre 1 v. Hilgorad bestieg eine Mannschaft aus Berserkern sein Schiff, deren Anführer Rodarof Kelthwen war. Natürlich kannte Armgard ihn, auch wenn die Leute oft schlecht über den Berserker redeten. Trotzallem bewunderte Armgard ihn ein wenig und war umso glücklicher, wenn dieser seine Künste als Seefahrer lobte. Armgard blieb fast ein Jahr mit den Berserkern unterwegs und half ihnen bei allerlei waghalsigen Kämpfen und Abenteuern als fachkundiger Seemann. Als er die Berserker dann am Festland absetzte und sie ihm Lebewohl sagten, drang die Kunde zu ihm, dass er für einen wichtigen Auftrag gesucht würde. Zurück im Norland erfuhr er von dem Angebot des Königs Hilgorad und dessen Suche nach dem besten Kapitän. Das Volk der Nortraven wählte Torbensen aus zu gehen, denn er war nicht der Erfahrenste, doch er war jung und ein absolutes Naturtalent. Die Leute sagten, wem Thjarek und Eydis so behilflich seien, der müsste einfach Bester des Norlands werden.
So zog er aus und entdeckte bei seinen Fahrten die Insel Siebenwind, doch das ist eine andere Geschichte. Er kehrte ins Norland zurück und hatte sein Ansehen sehr gebessert. Die nächsten Jahre sah man ihn nur selten, denn er werkelte im Geheimen an seinem Boot, dass er seit seinem elften Lebensjahr besaß und nach einigen Jahren war es nicht mehr wiederzuerkennen. Aus dem kleinen, provisorischen Boot war ein stolzer Dreimaster geworden, der zwar nicht an die professionell gefertigten Schiffe herankam, doch immerhin ganz alleine von Torbensen errichtet worden war.
In den folgenden Jahren des Piratenkriegs segelte er mit seinem eigenen Schiff über die Gewässer und kein anderes vermochte mitzuhalten. Neben Rodarof Kelthwen war Armgard Torbensen eine der strahlendsten Personen des Krieges, obwohl sie erst nach Kriegsende erfuhren, dass der jeweilig andere mitgefochten hatte. Dann segelten Rodarof und Armgard in einem Jahr dreimal über die Meere um auf fernen Inseln und Landstrichen Abenteuer zu erleben, doch davon soll woanders berichtet werden. Im Jahre 11 n. Hilgorad trennen sich jedoch ihre Wege, denn Rodarof wurde im Auftrag des Hetmanns nach Siebenwind geschickt. Armgard versprach ihn dort zu besuchen so oft es ging, doch vorerst wollte er ein wenig in der Heimat bleiben und das Nordmeer befahren.
„Die Seeluft und das Schaukeln unter meinen Füßen ist es, was mich und die meisten anderen Nortraven zur Seefahrt anregt. Kein Stück Land kann so erfüllend und befriedigend sein wie die Holzplanken und das weite Meer um einen herum.“
Die Legende von Halgir und der „Flamme des Nordens“
Über Halgir gibt es derart viele Gerüchte und Geschichten, dass man nicht mehr genau weiß, was davon wahr und was erdacht ist. Klar ist jedoch, dass Halgir eine Legende unter den Nortraven ist und es wohl immer sein wird.
Er war ein Berserker der alten Tage und ohne seinesgleichen. Weder Mensch noch Tier im gesamten Norland konnten ihm widerstehen und auch in ferneren Ländern war sein Ruf gefürchtet. Über seine Herkunft und seine Jugend ist nur äußerst wenig bekannt und schnell ging das Gerücht um, er sei von Bären erzogen worden. Wenn man Geschichten über ihn hört wird einem schnell klar, woher diese Gerüchte kommen. Er muss weit größer als jeder andere Nortrave gewesen sein, manche sagen gar anderthalb Köpfe und entsprechend gewaltig war seine Statur. Im Kampf bediente er sich zweier Äxte, von denen ein Mensch kaum eine hätte führen können und trug einen reich verzierten Lederpanzer aus der Beute eines Feldzuges. Auf seinem Kopf prangte das Fell eines riesigen Polarbären und selbst in der Schlacht verzichtete er auf einen Helm, nur um es weiterhin tragen zu können. Nachdem man ihn mit diesem Kopfschutz hatte kämpfen sehen, wurde ihm schnell der Beiname „Bär“ verliehen, denn die Wucht, mit der er über seine Feinde hinwegstürzte, war die eines solchen. Jedenfalls dauerte es nicht lange, bis er Hetmann wurde, und von da an wurde er eine wahre Plage für Galadon. Er plante taktisch nur in groben Zügen und ließ alles weitere seine Untergebenen tun. Er selbst liebte es jedoch in die Schlacht zu ziehen, und auch wenn er dadurch seine Pflichten als Hetmann teilweise vernachlässigte, so war er in der Schlacht nicht zu überwinden und wenn er genug Krieger um sich hatte, traute sich kaum ein Feind heran. Bis weit ins galadonische Reich fielen sie hinein und verbrannten und raubten alles, was sie auf ihrem Weg fanden. Die Kirchen plünderten sie, um die Reliquien Thjarek zu opfern, doch ihr Raubzug fand einige Tagesreisen vor der Hauptstadt sein Ende. Halgirs Mannen griffen eine Festung an, sahen sich aber plötzlich von einer Übermacht eingekreist. Sie erlitten hohe Verluste und wurden zurückgedrängt. Ihr Marsch auf die Hauptstadt Galadons war beendet. So zogen sie über den Fußweg zurück nach Norland, wo Halgir als Hetmann abdankte und ein von Pflichten freier Mann wurde.
Es vergingen viele Jahre, in denen er nur hier und dort an den Grenzen des Landes gesehen wurde, doch am Ende dieser Zeit betrat er den größten Hafen Norlands und gab fünf Schiffe in Auftrag, die ungewöhnlich hart und robust sein sollten. Dann bestieg er ein Jahr später mit einer Mannschaft aus fünfzig ausgesuchten Männern die Boote und legte ab. Zum letzten Mal sollte man ihn mit zwei Äxten auf dem Rücken sehen.
Es vergingen fünf ganze Jahre, doch am Anfang des fünften, als die Stürme seltener und das Wetter milder wurden, sah man sein Banner am Horizont auftauchen. Nur noch ein Schiff war übrig und kaum zehn Männer. Doch ganz vorne am Bug stand unbewegt Halgir und hielt in seiner rechten Hand ein Schwert, in dem sich Sonne und Meer spiegelten. Es war ein Breitschwert von großer Schönheit und es schien unzerbrechlich und unnachgiebig. Das Heft war aus einem unbekannten, silbrigen Metall gefertigt und wundervoll verziert. Dort wo die Klinge begann, saß ein Drachenkopf, sodass es aussah, als würde die Klinge aus dem Mund eines Drachen entspringen. Die Klinge selbst war glänzender als alle bisher Gesehenen und es schien, dass sie aus purem Eis war, doch härter als der stärkste Stahl. Niemals wurde die Frage, woher das Schwert sei, von Halgir beantwortet. Doch das Gerücht, er habe es von dem weißen Drachen persönlich erhalten, kommt auch heute noch in den Legenden vor.
Tatsächlich soll es einige Männer gegeben haben, die versuchten, es ihm zu entwenden oder in einem Duell zu gewinnen, doch er besiegte sie alle mit eben diesem Schwert. Es schnitt durch ihre Kettenrüstungen wie durch Butter und kein Blut blieb an ihm haften. Und ein Skalde, der einmal sah, wie sich das Meer in der Klinge spiegelte und wie die Wellen darin von der Sonne rot und golden gefärbt wurden, schrieb ein Lied über die „Flamme des Nordens“, wie das Schwert fortan genannt wurde. Bis heute sind so viele hinzugekommen, dass es unmöglich wäre, sie hier alle zu nennen.
Doch Halgir starb und so nahm ein anderer der zehn Überlebenden das Schwert an sich, da niemand wollte, dass irgendein Grabräuber die Ruhe des Halgir störte. So zog das Schwert weiter seine Runden und wanderte von Mann zu Mann. Und als nur noch fünf der Männer übrig waren, bestiegen sie ein Boot und waren nie mehr im Norland gesehen. Mit ihnen ging die „Flamme des Nordens“ und ungewiss ist ihr derzeitiger Aufenthaltsort.“ Die alten Aufzeichnungen hierzu gibt es hier.
Die Chronik der Kriege
Die Geschichte der nortravischen Kriege ist eine Geschichte der nortravischen Führer.
Zuerst muss man hier wohl Hetmann Kjartan nennen. Ihm gelang es als erstem in der langen Geschichte des Norlandes, die vielen, in sich zerstrittenen Clans und Dörfer zu einen. So gestärkt formte er ein mächtiges Heer, um sein Ziel zu verfolgen das Land zu vergrößern. Um mehr Ackerland und Siedlungsraum zu gewinnen, ließ Kjartan sein Heer im Süden aufmarschieren und fiel in Khalandra ein. Blutige Schlachten entbrannten, in deren Verlauf die Barbaren immer weiter zurückwiche und große Teile ihres Landes preisgeben mussten. Berauscht und geblendet ob der leichten Siege trieb Kjartan seine Truppen immer weiter vor. Doch schon bald sollte die Zeit seiner Siege vorbei sein. Mit einer List gelang es den Barbaren, das scheinbar übermächtige Heer in eine Schlucht zu locken.
Eingekesselt gab es für Kjartan und seine Mannen kein Entkommen mehr. In einem wahren Hagel aus Felsen und Pfeilen ging das Siege gewohnte Heer zu Grunde. Während sich nur wenige der Männer retten konnten, wurde der zerschmetterte Leib Kjartans als Trophäe in die hölzerne Stadt Khalandra getragen und während der Siegesfeier verbrannt.
Ein neuer Hetmann übernahm die Führung der Nortraven. Halgir war sein Name. Als Berserker und unter Hetmann Kjartan Feldherr in den Kämpfen um Khalandra, sah das Volk ehrfürchtig zu ihm auf und setzte alle Hoffnung in ihn, die Schmach zu tilgen, die dem nortravischen Volk durch die in ihren Augen gottlosen und unzivilisierten Barbaren beigebracht wurde. Halgir bezog die Hetmannsfestung Garoaar in Eskandar und begann seine waghalsigen Pläne auszuarbeiten. Sein unbändiger Wille war es, die nortravische Fahne auf ganz Falandrien wehen zu lassen. Alsbald ward nahezu jeder Schmied damit betraut, Waffen zu fertigen. Das ganze Land bereitete sich auf den Krieg der Kriege vor, beseelt von dem Gedanken den Glauben Thjareks über die Welt zu verbreiten. Die Jahre der Vorbereitung zogen ins Land und Halgir formte das mächtigste Heer, das das Norland je gesehen hatte. Das Volk jubelte frenetisch, als die Armee mit Halgir an der Spitze auszog, um den Glauben an Thjarek und Eydis über Falandrien zu bringen.
Die Barbaren hatten den nortravischen Truppen nichts entgegenzusetzen und so war Khalandra schon bald fast gänzlich eingenommen. Doch statt weiter ins Landesinnere vorzudringen, um die hölzerne Stadt Khalandra einzunehmen, marschierte Halgir weiter gen Süden Richtung Galadon.
Die galadonischen Grenztruppen wurden von dem Angriff völlig überrascht. Im Nu hatte Halgir die Grenzposten überrannt und trieb die verbliebenen königlichen Grenztruppen vor sich her. Bereits zwei Tage nachdem die Nortraven die Grenzen überschritten hatten, standen sie vor den Mauern der Stadt Ersonts Val. Eine blutige Schlacht entbrannte, doch solch einer Übermacht war die Stadt nicht gewachsen und so wehte am Abend die nortravische Fahne auf den Türmen. Halgir ließ die Einwohner auf dem Marktplatz zusammentreiben und verkündete, dass die Stadt nun unter nortravischer Herrschaft stehen würde. Die Bewohner hätten sich ihrem Schicksal zu ergeben, dann geschehe ihnen kein Leid.
Dann wandte Halgir sich ab und betrat mit einigen seiner Berserker den Tempel des Ortes. Sämtliche Reliquien wurden zusammengetragen und auf dem Altar zu einem großen Haufen getürmt. Mit einer Fackel in der Hand trat Halgir auf den Altar zu, um den Haufen zu entzünden und so Thjarek für die Stärke, die er Halgir und seinen Männern in den Schlachten verliehen hatte, zu danken.
Halgir setzte seinen Feldzug unaufhörlich fort. Dorf um Dorf, Stadt um Stadt fiel in die Hände der Nortraven. Die königlichen Truppen waren noch immer unzureichend formiert und nur schwach besetzt, sodass sie die „Wilden aus dem Norden“ nicht entscheidend schwächen konnten.
Nur noch eine Tagesreise war das nordische Heer von der Hauptstadt entfernt, doch davor galt es die Festung „Burg Bernstein“ – eine mächtige Trutzburg auf einem Felsen gelegen – einzunehmen. Halgir sammelte seine Truppen und blies zum Sturm. Doch zum ersten mal auf seinem Feldzug stieß er auf ernstzunehmenden Widerstand. Ein wahrer Pfeilregen rauschte auf die Nordmänner hinab. Siedendes Öl wurde von den Zinnen gegossen und tötete diejenigen, die es durch den Pfeilhagel bis zur Mauer schafften. Doch dies sollte nicht Halgirs einzigstes Problem bleiben. Der König hatte mittlerweile große Truppenteile aus den südlichen Gebieten mobilisiert und sie den nortravischen Truppen entgegengeschickt. Während Halgirs Mannen mit aller Kraft versuchten, die Festung zu nehmen, tauchten am Horizont die ersten Legionen aus dem Süden auf. Nun musste Halgir an zwei Fronten kämpfen. Doch lange konnten die siegesgewohnten Nortraven den anstürmenden Massen nicht standhalten. Halgir hatte eine vernichtende Niederlage erlitten und musste mit seinen verbliebenen Truppen, die ihm immer noch blindlings folgten, den Rückzug antreten.
Ein langer und zermürbender Marsch zurück ins Norland stand ihnen bevor. Kaum eine Ruhepause war den erschöpften Männern vergönnt. Unbarmherzig trieben die königlichen Truppen die Nortraven vor sich her. Als Halgir mit seinen Truppen wieder das Furchental erreicht hatte, wo sie ihren Feldzug auch begonnen hatten, hatte Halgir mehr als 20.000 Männer verloren. Zutiefst beschämt und gedemütigt legte Halgir sein Amt als Hetmann nieder und übertrug das Kommando über die verbliebenen Truppen an Herold Oieff, einen seiner besten Berserker. Dann wandte er sich ab, um die Einsamkeit zu suchen und Thjarek über sein Schicksaal entscheiden zu lassen. Seine Männer schauten noch immer ehrfurchtsvoll zu ihm auf und wären ihm auch weiter überall hin gefolgt. Doch sie akzeptierten seine Entscheidung und waren bereit, unter Oieff die Horden der Ungläubigen aus dem Norland fernzuhalten. Doch die Zeit der Niederlagen für die Nortraven war noch nicht vorbei.
Herold Oieff trat mit den letzten verbliebenen Truppen dem galadonischen Heer entgegen, das sich nun seinerseits anschickte, ins Norland vorzudringen. Doch mit seinen dezimierten und erschöpften Kämpfern gelang es ihm nicht, die Galadonier aufzuhalten. So zog er sich weiter in das nortravische Hinterland zurück. Bei Mittenwald schließlich sollte es zur entscheidenden Schlacht kommen. Ein letztes mal formierte Oieff seine Truppen, bereit dem Schicksaal ins Auge zu blicken. Die Schlacht begann.
Nur wenige Stunden später war die Erde blutgetränkt. Oieff und Hunderte seiner Männer waren gefallen. Die restlichen, von monatelangen Märschen und Kämpfen gezeichneten Männer legten ihre Waffen nieder und ergaben sich. Das Norland war gefallen. Der Süden war in Galadonischer Hand. Laurentius von Lichtenfeld, oberster Befehlshaber der Invasionstruppen, wurde vom König zum Fürsten und Herrscher über das Norland ernannt. Er sollte das Norland befrieden und es dem Galadonischen Großreich einverleiben. Doch noch standen seine Truppen erst im Süden des Landes. Der Norden wollte erst genommen werden. Derweil wurde in Eskandar schleunigst ein neuer Hetmann ernannt, um das Volk der Nortraven zu führen und das Schicksal, in die Knechtschaft der Ungläubigen zu geraten, abzuwenden.
Die Wahl fiel auf Herjolf, Berserker und langjähriger Vorsteher Dornwalds. Nur wenige erprobte Kämpfer standen ihm zur Verfügung, um das Unheil abzuwenden und die Galadonier aus dem Norden fernzuhalten. Eiligst stellte Herjolf seine Truppen auf, um dem galadonischen Heer entgegenzutreten. Späher hatten ihm den Vormarsch der königlichen Truppen gemeldet und so bezog er am Fuße des Solvej-Massivs Stellung, um ihnen die Stirn zu bieten. Am nächsten Tag war es soweit. Laurentius von Lichtenfeld und sein Heer erreichten die Stelle, an der Herjolf sein Lager aufgeschlagen hatte. Hetmann Herjolf erkannte, welch Übermacht dort aufzog. Doch der Mut der Verzweiflung und sein unbändiger Glaube trieben ihn und seine Männer nach vorne, bereit, dem Tod ins Auge zu sehen. In wütender Raserei fielen seine Berserker und Krieger über den Feind her und lichteten die Reihen. Doch die Übermacht der Galadonier war zu stark und so wurden Herjolf und seine Mannen zurückgetrieben. Wie es ihm dennoch gelang, den galadonischen Vormarsch aufzuhalten, besagt eine Legende:
„Herjolf erkannte, wie aussichtslos seine Lage war und tat etwas, was ein Nortrave eigentlich nicht tut und es als ein Zeichen von Schwäche deutet. In seiner Verzweiflung kniete er nieder und rief Thjarek um Hilfe an, ihm zu helfen, die Ungläubigen zurückzudrängen und die Freiheit des Norlands zu wahren. Und wahrhaftig, Thjarek schickte ein Zeichen. Ein schneidend kalter Sturm zog auf und Schneetreiben setzte ein. Für einen Moment ruhten die Kämpfe und ungläubig schauten alle gen Himmel. Das Schneetreiben wurde noch dichter, man konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Im Nu türmte sich der Schnee kniehoch. Die Galadonier, solch Kälte und Schneemassen nicht gewohnt, gerieten in Panik und setzten Hals über Kopf zum Rückzug an. Als sich nach Stunden das Schneetreiben gelegt hatte, ward von dem Schlachtfeld nichts mehr gesehen. Alles lag unter einer dicken Schneeschicht, die die Toten und Sterbenden unter sich begraben hatte. Der Vormarsch der Ungläubigen war zum Erliegen gekommen und der Winter sollte lang und hart für sie werden.“
Laurentius von Lichtenfeld rückte in Mittenwald ein und bezog dort Quartier. Er erklärte die Stadt zur Hauptstadt des befriedeten Norlandes und nutzte sie als Ausgangspunkt, um den Widerstand des Nordvolkes zu brechen. Aus dem Galadonischen Reich bekam er weitere Verstärkung, sodass er bald eine gewaltige Besatzungsmacht befehligte. Seine Soldaten schickte er in jeden Winkel des südlichen Norlands, um zu verkünden, dass es nun zum Galadonischen Großreich gehöre, das Volk sich zu beugen hätte und Widerstand gnadenlos verfolgt würde. Er rief neue Gesetze aus und ließ all diejenigen verfolgen, die sie missachteten. Unter anderem verbot er die Namen der nortravischen Götter zu benutzen, Waffen mit sich zu führen oder sie zu besitzen und im alten nordischen Dialekt zu sprechen. Aus Galadon ließ er Missionare kommen, um den Glauben an die Viergötter über das Land zu verbreiten. Während all dieser Zeit versuchte er unablässlich weiter, in den Norden vorzudringen. Aber das ihm unbekannte und schwierige Gelände und der unbändige Widerstand ließ jeden Vorstoß scheitern. Gleichzeitig war er gezwungen, sich im Süden gegen immer wieder aufflackernden Widerstand zur Wehr zu setzen. Ganze Dörfer ließ er niederbrennen, Aufständische töten oder einkerkern. Mit der Zeit schien sich das Volk der Nortraven seinem Schicksal zu ergeben. Doch im Verborgenen brodelte weiterhin der Widerstand.
So zogen die Jahre ins Land. Nie gelang es den königlichen Truppen, in den Norden vorzudringen, im Süden regierten sie dafür mit eisener Hand. Ihre Besatzung sollte fast 150 Jahre andauern.
Während all der Zeit regte sich unablässig der Widerstand, im Verborgenen schlossen sich Clans zusammen. Sie brachten den Galadoniern schwere Verluste bei, doch stürzen konnten sie sie nie. In Mittenwald regierte mittlerweile Fürst Bogomil von Traunbach mit Unverminderter Härte. Doch in Galadon war mittlerweile ein neuer König gekrönt worden. Hilgorad stand nun an der Spitze des Galadonischen Großreiches, und ihm war der überharte Stil des Fürsten ein Dorn im Auge. Zwar wollte er es auf keinen Konflikt ankommen lassen, der entstehen würde, sobald er Bogomil die Macht entzog. Wohl aber konnte er große Truppenteile abziehen, um den Fürsten zu schwächen. Er hoffte darauf, dass die Nortraven ihrerseits ihre Chance sehen würden, den Fürsten zu stürzen. Dann könnte Hilgorad zu Verhandlungen ins Norland reisen, denn er hatte den Nortraven eine andere Rolle zugedacht als Teil seines Reiches zu sein.
In Garoaar, der Hetmannsfestung in Eskandar, saß mittlerweile Wulfhold und führte die Geschicke des Nordens. Ihm war nicht entgangen, dass große Teile des Südens nur noch schwach durch galadonische Truppen besetzt waren. Und es erfreute ihn ebenfalls zu hören, dass der Widerstand erstarkte und mächtiger war als je zuvor. Große Teile des Südens waren bereits durch Widerstandsgruppen und Clans zurückerobert worden. Wulfhold stellte ein Heer zusammen, rief seine Berserkergarden und machte sich auf, gen Mittenwald zu marschieren. Unterwegs traf er nur auf wenig Gegenwehr der Galadonier und so war Mittenwald schnell und ohne nennenswerte Verluste erreicht. Mittlerweile hatten sich Widerstandsgruppen Wulfholds Marsch angeschlossen, sodass eine beachtliche Streitmacht vor den Mauern Mittenwalds aufzog. In der Stadt hatte der Fürst noch immer große Verbände zu seinem Schutze zusammengezogen. Mittenwald sollte einmal mehr der Schauplatz einer entscheidenden Schlacht zweier riesiger Heere sein. Die Kämpfe tobten zwei Tage und zwei Nächte. Am Morgen des dritten Tages war es soweit. Wulfhold hatte mit seinen Mannen die Stadt genommen. Der Großteil der Fürstentruppen war gefallen. Die Überlebenden wurden zusammengetrieben und gingen in Gefangenschaft. Fürst Bogomil, der sich in seiner Festung verschanzt hatte, wurde gefasst und von den wütenden Massen erschlagen. Das Norland war das erste mal seit fast 150 Jahren wieder vereint in nortravischer Hand. Letzte königliche Truppen wurden vertrieben oder vernichtet. In allen Landesteilen gab es Feste, um die Freiheit des Norlands gebührend zu feiern. Wulfhold war Hetmann über das gesamte Norland. Aber er rechnete damit, dass König Hilgorad neue Truppen schicken würde, um die Gebiete zurückzuerobern. Zu seiner Überraschung aber passierte etwas ganz anderes. Ein Bote erreichte Mittenwald, wo Wulfhold noch immer verweilte, und verkündete ihm, dass der König ihn in Bälde aufsuchen würde, um Verhandlungen aufzunehmen.
König Hilgorad erreichte einige Tage später Mittenwald. Wulfhold trat ihm mit Misstrauen gegenüber, bat ihn aber dennoch in die Festung. Was Hilgorad ihm im Gespräch eröffnete, ließ ihn jedoch staunen. Der König billigte dem Norland seine Unabhängigkeit auf Probe. Sollten keinerlei Aggressionen mehr von ihm ausgehen, würde er einem Friedensvertrag zustimmen und das Norland auf Dauer in die Eigenständigkeit entlassen. Als Zeichen des guten Willens bat Hilgorad darum, die fähigsten Schiffbauer nach Galadon zu entsenden, um ihr Wissen und ihre Baukunst dazu einzubringen, endlich ein Hochseefähiges Schiff zu bauen. Wulfhold bat sich einen Tag Bedenkzeit aus, um Hilgorads Worte im Weisenrat abzuwägen. Die Bedingungen wurden angenommen und so besiegelten Hetmann Wulfhold und König Hilgorad das Ende der Feindseligkeiten.
Zurück in Eskandar rief Wulfhold die besten Schiffbaumeister, allen voran Armgard Torbenson, den besten und erfahrensten Kapitän des Nordens, und entsandte sie nach Galadon. Mit ihrer Hilfe gelang es endlich ein Schiff zu bauen, das bereit war, die rauhe See zu meistern. Armgard selbst sollte der Kapitän sein, der mit dem Schiff, welches auf den Namen „Nordwind“ getauft wurde, in See stach, um neue Landmassen zu entdecken. Und tatsächlich entdeckte man auf der großen Fahrt eine Insel – Siebenwind. Hilgorad, froh über die Hilfe der Nortraven und die Entdeckung neuer Ländereien, hielt sich an sein Wort und entließ das Norland in seine Freiheit. Um die alten Feindschaften zu begraben, bot er Wulfhold ein Stück Land und Siedlungsrecht auf der neuentdeckten Insel. Hilgorad hoffte, dass sich so die Völker näherkommen und die alten Feindschaften ausräumen würden. Armgard Torbenson sollte den Bau weiterer Schiffe überwachen und so die Besiedlung Siebenwinds vereinfachen und beschleunigen. Doch die Verhandlungen mit Wulfhold liefen nicht so, wie Hilgorad es sich erhofft hatte, was hauptsächlich daran lag, dass Wulfhold weit mehr Rechte forderte als Hilgorad zu diesem Zeitpunkt gewähren wollte. Torbenson und die nortravischen Schiffbaumeister verließen daraufhin Galadon und kehrten ins Norland zurück. In der darauf folgenden Zeit machten sich die ersten Nortraven auf, um Siebenwind zu besiedeln. Allen voran Rodarof Kelthwen, der im Auftrag des Hetmanns auf der Insel eine nortravische Siedlung errichten sollte. Schon nach kurzer Zeit war das Dorf, das auf den Namen „Westhever“ getauft wurde, dicht besiedelt. Viele Nortraven erträumten sich hier ein neues Leben fern der unwirtlichen Heimat, die sie zwar lieben und auf die sie stolz sind, aber ihr Leben jeden Tag aufs Neue auf eine harte Probe stellte. Im Jahr 13 nach Hilgorad war es dann soweit. Wulfhold und der König räumten letzte Differenzen aus und besiegelten den endgültigen Friedensvertrag der beiden Völker. Das Norland sollte nun offiziell frei und unabhängig sein, doch diese Aussichten blieben nicht lange.
Der Krieg des Norlandes mit den Trollen hatte die Reserven des Norlandes beinahe aufgebraucht. Die Trolle hatten die Viehherden auseinandergetrieben, gefressen und durch die Angriffe auf die Städte waren die meisten Kornspeicher zerstört. Eine lange Hungersnot bahnte sich an, und selbst die Fischer konnten keine Abhilfe mehr schaffen, weil die Fischschwärme wegen dem zugefrorene Meer nach Süden gezogen waren. Gleichzeitig bahnte sich für Hilgorad eine schwierige Situation an. Die Anhänger des Einen hatte zunehmend mehr Seepräsens gezeigt und begannen nun mit schnellen Übergriffen auf das Land. Sie zogen sich jedoch schneller wieder auf ihre Schiffe zurück als die galadonischen Truppen zur Stelle sein konnten. Es zeigte sich also die Notwendigkeit einer Flotte, um das Ende des Krieges zu beschleunigen, da die ungebrochene Landmacht Galadons nichts dagegen tun konnte.
Hetmann und Hilgorad traten miteinander in Kontakt. Lange hatten sie sich nicht gesprochen und das Norland war, obwohl es de Jura eine Provinz von Galadon war, mehr oder weniger unabhängig von Wulfhold regiert worden, der den Titel Großherzog der Norlande trug, vom Volk aber nach althergebrachter Weise Hetmann genannt wurde. Also trafen sie eine schwierige Entscheidung. Hilgorad bot dem Land, das rechtmäßig ihm gehörte, einen Tausch an. Aus den riesigen Lagern von Galadon wurde Nahrung auf den schwerfälligen Schiffe des Reiches in die Häfen des Norlandes geschafft und dort von den galadonischen Soldaten verteilt. Im Gegenzug verpflichtete sich der Hetmann dazu, Schiffe zur Bekämpfung der Widersacher Galadons zur Verfügung zu stellen. In Galadon wurde die Flotte als ein Tribut aus der nördlichen Provinz deklariert, der man mit Nahrung helfen mußte. Im Norland wurde es als Tausch betrachtet, doch es verbesserte die Situation zwischen Hilgorad und dem Hetmann.
Die Schlacht am Orkpass
Im Folgenden wollen wir noch eine der bereits öfters genannten Schlachten der Nortraven aus der Sicht der drei Thorganson Brüder dokumentieren: die Schlacht am Orkpass gegen die einfallenden Barbarenstämme aus Khalandra.
In den Weiten des nortravischen Landes, in der Bucht zwischen den Trijgva- und Thulezughöhen, da liegt Dornwald. Dornwald gehört mit seinen knapp 200 Einwohner nicht gerade zu den größten Städten des Norlandes, doch gerade hier erblickten die Brüder Thorganson 11 v. Hilgorad das Licht der Welt. Es war ein stürmischer Tag im Wintermonat Dunkeltief und die großen Eichen vor dem Hause Thorganson ächzten unter dem Schnee und dem Wind, der durch die blätterlosen Äste rauschte und heulte. Wie war jedoch die Freude groß, als die drei Brüder Torben, Bartag und Kelthiel endlich schreiend und Schutz suchend in den Armen der erschöpften Mutter lagen. Vater Thorganson, ein bekannter Schiffsbauer und Kapitän, blickte stolz auf seine Lieben herab.
Wie der Winter verging, so vergingen auch die Jahre. Frühlinge erfüllten die Lande, Schnee bedeckte viele Male das Grün der Wiesen und Felder und fror das Eis zu. Mit den Jahren wuchsen die drei Brüder zu stattlichen Männern in den besten Jahren heran. Torben, ein rothaariger, kräftiger Geselle, errang schon früh das Ansehen eines stolzen Seefahrers im Dienste des Vaters. Auch seine Künste mit dem Säbel waren weite Meilen landeinwärts bekannt. Bartag hingegen trug sein langes, schwarzes Haar in geflochtenen Zöpfen. Schon früh, mit 18 Jahren, nahm er sich Athnea Garen zur Frau und eröffnete mit ihr zusammen in der Stadt eine kleine Taverne, die schon bald von nah und fern besucht wurde und man immer wieder gern zu ihr zurückkehrte.
Doch Kelthiel war schon früh anders als seine Brüder. Er war nicht so kräftig wie sie, und auch seine Haare wurden mit den Jahren nicht so lang wie die ihren. So schor er sich mit 19 Jahren den Kopf kahl und ließ sich einen Bart am Kinn wachsen. Ebenso fand er nicht Gefallen an Kampf und Bier, jedenfalls nicht so stark wie seine Brüder, sondern widmete sich der Musik. Unter den wenigen Dorfbarden war er der jüngste und konnte so von ihnen noch sehr viel lernen. Mit 20 Jahren erhielt er sodann sein erstes eigenes Instrument – eine herrlich verzierte Laute. Er lernte schnell und konnte seine Musik bei Jung und Alt beliebt machen und so vermochte der kahle Nortrave es, ganze Tavernen zu füllen. Oft zog er hinaus in die weiten Ebenen, um nach anderen Siedlungen zu suchen und auch dort seine Kunst den Leuten zu zeigen.
Im Jahre 10 n. Hilgorad brach der Krieg an der westlichen Front des Norlandes aus. Wilde Barbarenstämme aus Khalandra plünderten und brandschatzten Siedlungen der Nortraven. Kinder, Frauen und Männer fanden bei den Angriffen den Tod und so wurde in Eskandar, der Hauptstadt des Norlandes, der Krisenrat einberufen. Clanführer von Nah und Fern fanden sich in der größten Hafenstadt Falandriens ein. So fuhr auch Vater Thorganson mit seinen drei Söhnen aus, um sich dort einzufinden. Fünf Drachenschiffe, darunter drei erbaut von Vater Thorganson, liefen den Hafen von Dornwald am Tage der Einberufung aus, um gen Süden auf dem Seeweg nach Eskandar zu fahren. Später wurde erzählt, dass die Mannschaften der fünf Schiffe – nur drei kamen damals an – während ihrer Fahrt von einer riesigen Seeschlange angegriffen wurden und nur mit Mühe und Not fliehen konnten, doch dies ist eine andere Geschichte.
So fuhren die drei Schiffe Seegold, Schwanenstolz und Meeresbraut nach genau fünf Wochen im berühmten Handelshafen Eskandars ein. Die Seegold, das Schiff der Thorgansons, war schwer beschädigt und das Segel mit dem Wappen der Familie, einem riesigen Bärenschädel, zerrissen. Gleich nach der Ankunft nahmen die vier Männer den direkten Weg hinauf zur Burg von Eskandar, die auf einer Anhöhe oberhalb der Stadt lag und mit wachenden Augen auf diese herab sah. Voller Eile wurden sie am Tore empfangen und direkt in den großen Saal geführt, wo Hetmann Wulfhold von Eskandar bereits auf die Ankömmlinge wartete.
„Seid willkommen tapfere Seefahrer“ waren die ersten Worte der Seemannslegende. „Meine Seher haben euer Ankommen schon voraus gesagt und mir ebenfalls von eurer Reise erzählt. Mögen die Barden ihre Lieder nie beenden.“ Mit diesem typischen Satz der Nortraven beendete Wulfhold seine Begrüßung. „Der Krieg zieht sich nun schon viele Wochen hin, unser Nachschub an tapferen Mannen ist fast zum Erliegen gekommen. Nur noch wenige Truppen können wir entbehren und ich weiß nicht, wie lange wir die Front noch halten können.“ Sorgen waren in seinem Gesicht zu sehen, das sahen auch die Reisenden. „Trotz der Prophezeiung meiner Seher kann ich mich nicht sicher fühlen.“ „Von welcher Prophezeiung sprecht ihr?“ Kelthiel konnte seine Neugier nach Geschichten noch nie zurückhalten, was ihm einen bösen Blick seines Vaters einbrachte. „Vergebt mir, ich vergaß. Meine Seher sahen drei Krieger – ein Unsichtbaren, einen feuerroten Titanen und einen schwarzen Ritter. Sie sahen die drei Krieger an vorderster Front das Ruder nochmals herumreißen. Schon seit Tagen warten wir auf sie. Sie behaupten, sie kämen aus Galadon, erst heute Morgen haben wir von König Hilgorad ein Eilbrief erhalten, in welchem steht, dass er seine drei fähigsten Generäle schicken würde, um uns zu helfen. Ich glaube jetzt schon nicht mehr daran. Meine Hoffnung liegt in euch. Nehmt die letzten Truppen, die ich entbehren kann, und zieht gen Westen. Ihr werdet bei Sturmbach auf weitere Truppen treffen, wo auch mein werter Vetter Herold warten. Überbringt ihm diese Nachricht.“ Wulfhold zog ein mit Stoff gut umwickeltes Pergament hervor, das er Torben in die Hand drückte und ihm hoffnungsvoll in die Augen blickte. „Es sind achtzehn Tagesritte nach Sturmbach, ihr werdet die besten Pferde von mir erhalten. Doch nun macht euch bereit – es ist Zeit.“ Im gleichen Moment drehte sich der Hetmann wieder um und beugte sich über eine große Landkarte. Das Letzte, was die vier noch sehen konnten, war, dass von Westen eine Truppenstärke von doppelter Streitkraft in das Norland einzubrechen drohte. Nun legten sich auch die Sorgenfalten auf ihre Gesichter.
Die Sonne stand hoch an diesem Frühlingstag im Monat Dular, doch das Wetter war das Letzte, was die Krieger jetzt noch interessierte. Schnell packten sie Proviant, Ausrüstung und Waffen zusammen und ritten los. Hinaus in die Weiten des Norlandes. Fünfzig Reiter hinter ihnen her. Immer öfters ritt Kelthiel neben seinen Vater, der mit festem Blick nach Westen schaute, dem Feind den Krieg erklärend. Erst nach vielen Stunden, es war bereits Nacht, sprach Kelthiel seinen Vater das erste Mal an.
„Vater, wie kommt es, dass unser Hetmann dir so vertraut?“ „Eine lange Geschichte mein Sohn Kelthiel.“ Er nahm ein kräftigen Schluck Wein aus dem Trinkbeutel. „Vor ungefähr dreißig Jahren, ich war in deinem Alter, standen Wulfhold und ich Schulter an Schulter in den vordersten Reihen der großen Orkschlacht am großen Orkpass, damals hieß das eigentliche Tal noch Furchental. Trotz unserer verschiedenen Stände – er war damals der Sohn des Generals und ich der Sohn deines Großvaters, der wie du weißt wie ich ein Schiffsbauer war – kämpften wir wie Brüder. Er für mich und ich für ihn und gemeinsam für das Land. Als am Abend die Schlacht vorüber war, waren wir und knapp drei Dutzend andere die einzigen Überlebenden. Hunderte fielen, doch wir siegten und nie wieder wagten sich Orktruppen durch das Tal. Man sollte es wieder Furchental nennen.“ Vater Thorganson schmunzelte. „Es war wirklich eine heldenhafte Zeit. Als die Schlacht vorbei war, wählten wir jeder unseren Weg und wir trennten uns. Doch oft trafen wir uns wieder, um Seite an Seite im Kampf zu streiten und zu schlachten. Hach, was waren das für Abende nach den Kämpfen, Wein, Bier und Frauen.“ Ein Leuchten funkelte in seinen Augen auf. Kelthiel grinste.
„Verstehe, nun dann ist es wahrlich gut zu verstehen, dass er dir vertraut. Doch ich schätze unsere Chancen nicht sehr groß ein.“ „Siehst du mein Sohn, das unterscheidet dich von deinen Brüdern. Sie denken mit ihrem Herz, ihrem Kämpferherz, du jedoch mit dem Kopf. Ein Kämpferherz sieht immer noch ein Licht zwischen den Reihen und eine Möglichkeit, dieses Licht zu vergrößern, um die Gegner dann wie Bäume zu fällen und die Reihen zu lichten. Du jedoch siehst die große Zahl der Massen, denen wir entgegenreiten. Mein Sohn, denk nicht daran was morgen ist, denk daran was jetzt ist. Hier nimm ein Schluck.“ Der kühle Traubenwein tat gut und Kelthiel nahm gleich nochmal einen Schluck. „Gut Vater, ich werde versuchen an das jetzt zu denken. Ich habe ein Gedicht geschrieben, willst du es dir anhören?“ Vater Thorganson lachte laut auf. „Ein Gedicht mein Sohn? Nein, wahrlich nicht.“ Wut stieg in Kelthiel auf, doch erlosch sie ebenso schnell wie sie kam, als sein Vater gebietend die Hand erhob. „Ein Gedicht ermutigt nicht die Schlachtreihen mein Sohn. Schreibe ein Kampflied, ein Lied, das die Krieger mitgröhlen können, wenn sie dem Gegner entgegenrennen.“
Vater Thorganson nahm seinen typischen, nortravischen Helm ab, der mit zwei großen Elen langen Hörnern verziert war,und wischte sich den Schweiß von der Stirn ab. Sein dunkelrotes Haar und die geflochtenen Zöpfe tanzten im Nachtwind. „Vater, meine Brüder und auch du haben langes, dichtes Haar. Nur ich nicht! Was würde ich dafür geben.“ „Mein Sohn, dafür kannst du wahrlich nichts. Die Natur machte uns, wie wir aussehen, man selbst macht sich zu dem was man ist. Dir mögen die Haare fehlen, doch dies macht dich zu keinem schlechteren Mann, vielleicht sogar zu einem besseren. Aber sei dir gewiss, dass du dafür von anderen Dingen mehr hast.“ Nachdenklich stieg Kelthiel vom Pferd und baute das Nachtlager mit den anderen Kriegern auf. Der Mond erhellte die weite Ebene.
Die Wiesen waren nass und der Tau lag spiegelnd auf den Halmen und Büschen. Dunkle Gewitterwolken zogen sich am Horizont wie eine riesige Armee zusammen. Der Himmel war dunkel und das Rot des Blutes war schon jetzt darin zu sehen. Es würden blutige Tage werden, die den Kriegern bevorstanden. Achtzehn Tage und Nächte vergingen ohne größere Vorkommnisse und so erreichte das kleine Heer Sturmbach, wo es mit Jubel und freudig von Vetter Herold und den Überlebenden empfangen worden. Der Himmel wurde noch dunkler und das Rot lief an der schwarzen Front hinunter. Es würden keine Tage mehr vergehen, bis sie auf die Barbaren treffen würden. „Gelobet sei Thjarek, dass er euch Heile hierher geführt hat.“ Mit einer freundschaftlichen Umarmung nahm er Vater Thorganson in Empfang, der den Gruß erwiderte. „Da habt ihr wahrlich recht werter Herold. Trotz der schlimmen Zeiten müssen die Götter ein Auge auf uns haben.“ „Ja, möge uns Wolthar zur Seite stehen. Wie viele Mannen bringt ihr uns?“ „Wir sind sechzig berittene Reiter.“ „Das ist sehr gut. Habt ihr Nachricht von meinem Vetter Wulfhold?“ Torben, der das Pergament bis jetzt bewahrte, übergab es an Herold, der es schnell und zitternd öffnete. Angst und Verzweiflung war dem Heerführer ins Gesicht geschrieben. Mit einer Handbewegung wies er die Ankömmlinge sich zu entfernen.
Unter dem nächtlichen Himmel brannten noch lange die Feuer um die die knapp hundert Krieger sich versammelt hatten, um über den morgigen Tag nachzudenken und sich die Angst mit Wein und Bier aus dem Geiste zu vertreiben. Alle waren sie angespannt – noch nicht einmal Kelthiel vermochte seine Laute auszupacken und ein ermutigendes Lied zu spielen. Es war kalt und die Steppenwölfe heulten ihr furchterregendes Lied. Es war schon früh am Morgen, als sich die letzten Krieger mit ihren Gedanken und Ängsten schlafen legten.
Eine einzelne Person lief zwischen den schlafenden Nortraven umher. Eingehüllt in eine lange Robe war das verdeckte Gesicht nicht zu erkennen. Die Person schien etwas zu suchen. Bei drei Leuten kniete sie nieder. Die drei Krieger standen auf und folgten der Person. Lautlos und ohne ein Geräusch entfernten sich die vier von dem Lager, zogen über einige Meilen landeinwärts. Die Zeit schien zu stehen und eine geheimnisvolle Stille lag über dem Geschehen. Die vier Personen erreichten einen Wald. Nebelschwaden zogen umher und das Knistern eines Feuers war das einzige, was man hören konnte. Die vier Reisenden betraten den Wald, wenige Schritte folgten sie einem kleinen Waldpfad, als sie plötzlich den Pfad verließen und nach links in den Wald einbrachen. Wieder das Feuer – Stille – Feuer, wieder Stille. Endlich eröffnete sich vor den Augen der vier eine Lichtung. Riesige Säulen stiegen aus dem Boden empor. Die Rabain Steine. Drei an der Zahl. Plötzlich hielt die Person in der langen Robe an und drehte sich zu den drei Kriegern um. Einer nach dem anderen öffnete die Augen.
„Wo sind wir hier?“
„Ihr seid nicht hier, nur euer Geist verweilt hier.“
„Das kann nicht sein!“
„Es ist aber so. Ihr befindet euch bei den heiligen Rabain Steinen, die stützenden Säulen unseres Landes.“
„Aber ich dachte, sie sind nur eine Legende!“
„Ja, eine der Legenden, die von einer wahren Begebenheit erzählen und so ist sie war. Doch sie sind viele Meilen von eurem Lager entfernt.“
„Aber wie kommen wir hierher?“
„Wir sind auf den magischen Pfaden der alten Helden gewandert, die vor euch hier waren.“
Wieder machte sich Unsicherheit unter den drei Kriegern bemerkbar.
„Doch es gibt einen Grund dafür, dass ich euch geholt habe. Der morgige Tag wird in die Geschichte der Nortraven, wenn nicht ganz Tares, eingehen. Es steht euch die blutigste Schlacht bevor, die ihr je erlebt habt. Und ihr werdet sie nie so verlassen, wie ihr sie betreten habt. Kniet nieder, ich habe etwas für euch.“
Die drei Krieger knieten nieder, und einem nach dem anderen fasste der Unbekannte an Stirn, Schläfe und Hals. Die Stellen glühten leicht auf.
„Ihr seit nun gerüstet, für das was kommen mag. Setzt euer Wissen ehrenvoll und richtig ein und ihr werdet siegen.“
Voller Zuversicht und Mut nickten die drei Krieger. Wieder hörte man das Feuer, dann Stille.
In vier Reihen hatten sich die Krieger aufgestellt. Vier Reihen mit je 25 Mann. Der Bergdurchgang lag vor ihnen. Von dort drüben würden sie kommen und man sah nach Westen, wo sich eine Staubwolke erhob. Die Rüstungen der Nortraven glänzten ein letztes Mal in der morgendlichen Sonne, ein letztes Funkeln der Waffen und der Augen, die nun tief und kalt waren. Herold ritt neben den Kriegern umher, die die dreißig Schritt des Bergdurchganges mit ihren Körpern abschirmten, mit dem Willen niemanden, nicht einmal Dämonen oder den Einen selbst, an ihnen vorbeizulassen. Der Schweiß lief den Kriegern ins Gesicht und ein letztes Mal nahm man den Helm ab, wischte sich die Stirn. Dann flogen die ersten Wurfäxte aus den letzten Reihen in die anstürmenden Barbaren. In eher ungeordneten Kampfreihen stürmten sie auf die wartenden Krieger zu. Die Schlacht begann.
„Und als die Schlacht fast verloren war,
ertönte ein Lied in jedem Krieger.
Das Lied war rein und klar,
stärkte des Kämpfers Glieder.
Man erhob die Waffen und schlug zurück,
brüllte voll Zorn dem Gegner entgegen,
man kämpfte zusammen, Rück an Rück,
niemand würde je die Waffe niederlegen.
Schritt für Schritt erkämpfte man
den Boden, der schon seit langen Zeiten
war Besitz des nortravschen Mann,
der dafür würd‘ in den Tode reiten.
So endet der Kampf und das Lied erlischt,
besiegt war der Feind, von dem Feld vertrieben,
Auf der Waffe der Kämpfer das Blut wird verwischt,
Die Krieger würd‘ nie jemals ein Mensch besiegen.“
So beschrieb es Kelthiel in seinem Lied, das er an den Vortagen geschrieben hatte. Doch änderte er es nach der Schlacht noch einmal ab. Später erzählte man, dass die hundert Krieger den Pass viele Stunden hielten, erst dann brach die Formation und die Horden konnten in ihre Reihen einfallen. Der Himmel färbte sich erneut blutrot und die Wolken türmten sich zu großen Säulen auf. In wenigen Minuten fiel ein Krieger nach dem anderen und lichter wurden die Reihen der Nortraven. Schreiend und wütend war man unter den Hieben der Keulen und Äxte. Herold blies zum Rückzug und mit Mühe und Not versuchte man, das Kampfgeschehen zu verlassen. Doch dann ertönte eine helle und laute Stimme unter dem restlichen Dutzend der Krieger. Die Stimme, untermalt mit den Klängen der Laute, erfüllte die Herzen mit Mut und Stärke und ein letztes Mal drehten sich die letzten Krieger um und stürmten auf den Gegner zu, um für Land und Familie zu sterben. Das Lied hallte weiter und lähmte die Glieder der Gegner, die plötzlich hilflos und ängstlich standen. Die Krieger sahen nicht die Reiter, die den Bergdurchgang erreichten, auf ihren Bannern der königliche Löwenkopf, das Zeichen der Löwengarde König Hilgorads. Doch die zwölf Krieger jagten den fliehenden Horden hinterher, gestärkt durch das Kampflied des Barden. Erst ein paar Momente später waren sie sich ihres Sieges bewusst und Torben der rote Titan, drei Runen auf Stirn, Schläfe und Stirn hielt in seinem Schlachten inne. Ebenso Bartag, der schwarze Ritter, ebenfalls drei Runen zierten seinen Kopf, die noch immer hell glühten und die Farbe des Blutes durchdrangen. Nur das Lied blieb und heilte innere Wunden der Krieger. Vater Thorganson war gefallen, unter seinem Körper begrub er acht barbarische Krieger, jeder mit einer tödlichen Wunde. Ebenfalls acht Pfeile steckten im Körper des Mannes. Man vergrub die Körper der verstorbenen Krieger auf dem Feld der Helden, wie es seit der großen Sturmschlacht genannt wurde. Knapp 75 Gräber wurden verschaufelt und ein Geweihter ging durch die Reihen.
Wieder ging eine verhüllte Gestalt zwischen den Kriegern umher. Niemand schien sie zu sehen.
„Wer bist du?“ ertönte es plötzlich, niemand reagierte. Kelthiel folgte der Person. Es war wie ein Traum.
„Du kennst mich, ich bin immer und war immer in euren Herzen, tapfere Nortraven. Wieder konntet ihr eine Schlacht gewinnen, und lasst euch gesagt sein, dass ihr diesen Krieg gewonnen habt. Dorn und Galadon jagten mit eurer Hilfe die Eindringlinge in die Flucht. Junger Kelthiel, ebenso wie deine Brüder, so musst du hinausziehen in die Welt.
Meine Geschenke, die Runen, die euch nun zieren, verleihen euch Mut, Kraft und Weisheit. Setzt sie für das Gute ein, denn dafür sind sie geschaffen. Doch nun geh zu den anderen zurück. Sie suchen dich schon.“
Die Person verschwand wie sie gekommen war.
Kelthiel hatte ein neues Ziel, den Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit mit seiner Musik und seiner nötigen Kraft fortzuführen. Nur noch wenige Tage blieb er im Lager zurück, um zeitgleich mit seinen Brüdern das Lager zu verlassen. Jeder ging seines eigenen Weges und jeder der drei Brüder wusste Bescheid. Keiner von ihnen wusste, ob man sich jemals wieder sehen würde und so zogen sie hinaus in die weiten Ebenen ihres geliebten Landes. Nur die Götter wussten, was für sie bestimmt war.
Wie man einen Nortraven spielen sollte
Ein paar Dinge bei den Nortraven sollte man stets beachten: Sie sind nicht mehr das barbarische und räuberische Volk von damals, doch trotzdem sind sie kein Volk, das man aus unserer Sicht kultiviert nennen könnte. Sie liegen irgendwo in der Mitte. Auch sind die nördlichen Nortraven noch weit traditioneller als die südlich lebenden. Sie sind allgemein stark, roh und hart. Obwohl sie keine hoffnungslosen Säufer sind, würden sie einen guten Trunk niemals ablehnen, besonders kein Trinkduell. Besonders Trinkduelle gegen Zwerge sollte man niemals ablehnen, auch wenn man meistens den Kürzeren zieht.
Wichtig sind auch die Aspekte der Religion und Herkunft, denn Nortrave ist nicht gleich Nortrave. Zwar glauben nur sehr, sehr wenige von ihnen nicht an die Götter, doch kann man streiten, inwiefern sie Thjarek und Eydis oder Wolthar und Gea verehren. Das bringt uns auch auf den Gegensatz zwischen Nord- und Südnortraven, denn die Unterschiede die zwischen ihnen beschrieben werden sollten IMMER berücksichtigt werden! Als Nordländer sollte man schon mal einen Kommentar bezüglich der Traditionslosigkeit der Südländer abgeben usw.
Ansonsten bleibt nur zu sagen, dass nicht alle Nortraven automatisch strohdumm sein müssen. Poeten sind auch vertreten, jedoch sollten sie sich wie gesagt mit einem dichterischen Vers nicht in eine Nortraventaverne wagen, wenn die dort Anwesenden unterhalten werden wollen. Damit bleibt mir am Ende nur zu sagen: Zwar gibt es natürlich auch bei den Nortraven „besondere“ Individuen, die aus dem Rahmen fallen, aber Religion, Kraft und die genannten Aspekte sollten nicht zu oft verletzt werden!
Schenkt den Göttern eure Taten
… so kamen wir eines späten Abends in ein kleines Dorf, abseits der normalen Wege und Handelsrouten gelegen. Khjelben stand eine ganze Weile ruhig da und musterte mit eisernem Blick die Umgebung, während der Wind seinen grauen Bart zerzauste. Ein Seufzer beendete seine starre Haltung und ich vernahm seit längerer Zeit wieder einige Worte aus seinem Munde: „Junge, hier werden wir noch was zu tun bekommen“. Junge. Ich war schon längst erwachsen und hatte den Körperbau eines Bären, als er mich damals aufforderte mit ihm zu gehen. Nun wanderte ich schon knapp ein Jahr mit ihm, würde bald 23 werden, und noch immer nannte er mich Junge. Ich wusste nicht, was er mit „Hier würden wir noch was zu tun bekommen“ meinte, aber ich nickte kurz. Für mich sah das Dorf von weitem wie ein normales kleines Nest aus, wie es so viele entlang der nordwestlichen Küste gab. Einige verschneite Hütten, aus denen einige Rauchsäulen gen Himmel emporstiegen, ein kleiner Steg am Meer und mehr nicht. Was sollte uns hier schon groß erwarten – doch dann sah ich es beim Näherkommen auch. Unweit des Steges, am Rand des Dorfes, stand die alte Dorfeiche. In ihre Borke waren der Hammer Thjareks und das Blatt von Eydis eingeschnitzt. Und da war Blut. Der Stamm war beschmiert und beinahe der gesamte Schnee um die Eiche war gerötet. Tierkadaver lagen um den geweihten Baum herum. Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte, Khjelben indessen schien die Situation klar zu sein. Mit festem Schritt und grimmiger Miene lief er auf ein nahegelegenes Haus zu, dem Äußeren nach die Dorfschenke. Ich folgte meinem Lehrmeister in den kleinen Raum, in dem wir sogleich von vielen bedrückten Gestalten gemustert wurden.
Ein Mann mit verwahrlostem Äußeren, der offensichtlich auch betrunken war, ergriff sofort, nachdem wir das Gasthaus betreten hatten, das Wort: „Pah, seht her – hicks – das schicken einem also unsere Götter, wenn man sie wochenlang um Hilfe bittet und Opfergaben bringt. Einen Greis und nur einen jungen Krieger. Pah – hicks – verflucht seien sie.“ Zu mehr Worten kam er nicht mehr. Wie schon so oft überraschte mich Khjelben mit seiner Kraft und Schnelligkeit. Wie ein tollwütiger Eisbär war er auf den unachtsamen Bauern gesprungen, der jetzt auf dem Boden lag, Khjelben auf ihm kniend. „Schweig du Narr! Du törichter Hund. Ihr alle.“ Sein feuriger Blick sprang von einem zum anderem im Raum, in welchem es jetzt still war und nun wie eingefroren wirkte. Sobald Khjelben einen der Dorfbewohner musterte, kam es mir vor, als würde ein Kind vor seinem gestrengen Erzieher stehen, den Kopf beschämt zum Boden geneigt und unwissend, was es gerade verbrochen haben sollte. Irgendwann ergriff ein dicklicher Mann mittleren Alters, mit einem leichten Doppelkinnansatz und einer grauen, fleckigen Schürze das Wort: „Alter Mann, warum beschimpfst du uns als Hunde? Bist du zu lange in der Kälte gewesen?“ Nachdem dieser Mann, welcher offensichtlich der Wirt und Hausherr dieses Gebäudes war, diese Worte geäußert hatte, sah ich Khjelben schon vor meinem geistigen Auge den armen Wirt in der Luft zerfetzen. Doch statt dessen vernahm ich von ihm nur ein grummeliges Brummen und dann jene Worte, die mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel trafen: „Ragnar, sag’s diesen Dummköpfen!“ Oh oh, was sollte ich denn sagen? Mir war ja nicht mal selbst genau klar, was hier vor sich ging: „Ähm,“ ich musste schlucken „Nun, das ist Khjelben, Sohn des glorreichen Olrik“. Ein leichtes Raunen ging bei dem Namen Olrik durch die Reihen. Khjelben schaute mich erwartungsvoll an. Ich wusste, er erwartete jetzt noch mehr … „Ragnar“ wiederholte er in einem strengeren Ton. Er hatte nicht Junge gesagt schoss es mir durch den Kopf. Er hatte Ragnar gesagt. Meinem Namen. Das erste Mal. Gleichzeitig kam mir aber auch die Idee, warum er so wütend auf diese Leute war. Stammelnd brachte ich etwas heraus, was eine Erklärung sein sollte: „Also das mit den Tieropfern, draußen bei der Eiche – die Sache ist die … nun … hmm … ihr ehrt ja einen Schiffsbauer auch nicht, indem ihr seine Schiffe versenkt …“ Mein Blick fiel auf Khjelben, der mir durch ein leichtes Nicken die Bestätigung gab, dass ich den richtigen Kurs eingeschlagen hatte. Im Gegensatz dazu schauten mich alle anderen mit großen Augen an und erwarteten den Rest meiner Erklärung zu hören, den ich nicht hatte. Mir selbst war die Idee noch nicht ganz klar, und mir fehlten die Worte, wie ich es anders sagen sollte.
In diesem Moment erhob sich Khjelben von seinem Opfer, ging zum Tisch, nahm einen noch lauwarmen Teller mit Eintopf und reichte ihn dem Wirt. „Hier, nimm, ich schenk dir einen Teller Suppe“ Bei diesen Worten goss er dem Wirt den Eintopf vor die Füße. Der Wirt schien überrascht und empört zugleich, zügelte seine Worte aber im Ton: „Was soll das? Warum tust du das? Der gehörte doch eh schon mir … und jetzt verschüttest du das gute Essen …“ Khjelben trat noch einen Schritt näher an den Wirt heran, und sah ihm aus nächster Nähe in die Augen: „Aha, und wem gehörte die tote Robbe da draußen unterm Baum, und wem die Ziege?“ Er wandte sich vom Wirt ab und kniete sich wieder zu dem Bauern, der jetzt mit aufgerichtetem Oberköper wieder auf dem Boden saß. „Und Du“ – der Bauer zuckte nun etwas ängstlich zurück – „was würdest du sagen, wenn ich dein Vieh schlachte, es dir vor die Füße werfe und dich dann bitte mir bei etwas zu helfen?“ Khjelben stand auf und setzte seine Rede fort, während er durch den Schankraum lief und jeden dabei ansah. „Ihr könnt doch den Göttern nichts opfern, was ihnen schon längst gehört, was sie doch selbst erschaffen haben. Glaubt ihr, Thjarek ist euch wohlgestimmt, wenn ihr einen Teil seiner Geschöpfe nehmt, sie einfach so tötet und sie ihm blutend vor die Füße werft? Und Eydis wird bei diesen Dingen auch nicht gerade freudig gestimmt sein …“ Einige der Leute schienen jetzt so langsam zu verstehen, was Khjelben meinte, und von irgendwoher im Raum ertönte dann die Frage: „Aber was können wir dann den Göttern opfern, um sie gnädig zu stimmen? Schließlich haben sie doch alles geschaffen …“. „Ihr müsst ihnen gar nichts opfern!“ antwortete mein Meister. „Thjarek und Eydis sind stark und stolz. Glaubt ihr denn, ihr könnt sie bestechen oder zwingen etwas zu tun? Wenn ihr ihnen schon etwas geben wollt, dann schenkt ihnen das, was sie nicht besitzten!“ Khjelben drehte sich wieder mal in dem kleinen Raum herum und hielt kurz mit seiner Rede inne, um wieder seinen Blick über die Zuhörer, die nun allesamt gespannt lauschten, schweifen zu lassen. „Schenkt ihnen eure Taten. Handelt im Wissen, dass sie eure Taten beachten. Zeigt ihnen, dass ihr nichts mehr begehrt, als eines Tages unterhalb ihres Throns zu sitzen. Sie haben euch gesegnet mit all jenen Vorteilen, die nicht viele Wesen unserer Welt in sich vereinen. Ihr seid Nortraven, Männer, das mutigste und verwegenste Volk der Welt. Ihr seid kräftig wie Bären und so hart und unempfindlich wie Eisberge. Lasst eure Geschenke nicht so einfach verkommen, indem Ihr euch hier zusammenkauert wie ängstliche Kaninchen, was auch immer euer Problem sein sollte. Nutz eure Talente und euren Mut, um eure Probleme zu lösen, und geht mit Stolz voran. Dann werden auch die Götter euch helfen. Solltet ihr aber nur herumhocken und jammern wie die Weiber aus dem Königreich, so werden die Götter euch in den Dreck treten, wo ihr auch hingehört, als feige Würmer. Aber ich sehe in diesem Raum keine Würmer. Ich sehe Nortraven. Steht auf und verhaltet euch auch so. Ihr seid zäh wie Leder und unbeugsam wie Stahl. Wenn es Probleme gibt, dann löst sie. Wenn ihr zusammenhaltet, Männer, kann nichts in eurem Weg stehen. Ein Rudel Wölfe kann einen Bären aufhalten, aber was hält ein Rudel Bären auf? Ihr seid Bären. Männer. Der Inbegriff von Mut und Stärke. Nutzt eure Talente und Thjarek wird mit euch in den Kampf ziehen und Eydis wird eure Segel blähen. Ein einzelner Nortrave mag stark sein, aber wenn ihr stolz, mutig und vereint handelt, dann seid ihr eine Naturgewalt. Und jetzt lasst uns an die Lösung Eurer Probleme gehen!“
Während er diese Sätze in den Raum donnerte, fand ein langsamer Wandel in dem kleinen Raum statt. Was anfangs noch mit dem einen oder anderen Nicken oder zustimmendem Geraune zwischen den Sätzen begann, endete bald in einem Orkan von Zustimmungsrufen, und mit Bierkrügen und Fäusten, die mit Wucht dazu auf die Tische geschmettert wurden. Mir kam das Ganze so vor, als hätte ich eine Horde Berserker vor mir, die kurz davor steht in die Schlacht beim Orkpass einzugreifen. Hätten die Orks damals diese Bauern, Walfänger, Jäger und Fischer erlebt – ich schwöre, sie hätten unsere Krieger erst gar nicht kennen lernen wollen. An jenem Abend sah man einen kleinen aufgestachelten Trupp Dorfbewohner gegen eine überraschte Piratenmeute in den Krieg ziehen, welche aufgrund des kalten Winters in der nächsten Bucht mit ihrem Schiff festsaß und sich bislang von den Dorfbewohnern hatten durchfüttern lassen. Die Schlacht war nur von sehr kurzer Dauer und wurde von den Dörflern im Handumdrehen gewonnen, als hätten sie die letzten Jahre nichts anderes getan. Obendrein fiel ihnen noch das Schiff und die recht wertvolle Ladung der Piraten in die Hände. Am nächsten Tag lächelte Eydis auf das kleine Dorf herab und Thjarek sandte die kleinen Wellen einer wärmeren Strömung in die Bucht. Der Frühling würde bald Einzug halten.
Das Heulen der Blutwölfe
… Khjelben ist mir immer noch ein Rätsel. Der alte Mann redet nicht viel, seine Handlungen verwundern mich meist immer noch, und ständig stelle ich mir die Frage, wie alt er denn wirklich sein mochte. Ich hörte schon öfters Gerüchte, er zähle nun fast 80 Winter. Doch wundere ich mich immer wieder, wie ein so alter Mann waffenlos mit einem Wolf ringt und auch zurückbeißt, ohne größere Blessuren davonzutragen, und sich dabei verhält, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Wie er es immer wieder schafft, reißende Gebirgsbäche zu durchschwimmen, im Winter allein mit einer leichten Wolldecke beschützt draußen zu übernachten oder eine angreifende Bärenmutter nur mit einem Blick in deren Augen zu einem friedlichen Haustier werden zu lassen. Genau kann ich beim besten Willen nicht sagen, wie alt er ist, doch er ist auf jeden Fall lebendiger als die meisten jungen Krieger, die ich bisher gesehen habe.
Heute kamen wir in Iskel Fjord an, ein kleines Dörfchen am Ende einer Bucht und Schauplatz einer der blutigsten Gemetzel des Krieges gegen das Königreich. Auch jetzt war Iskel Fjord noch immer das kleine und unbedeutende Nest, wenn man mal von der Trutzburg des Königreiches absah, die hier an der Grenzlinie zwischen den südlicheren Gebieten und den freieren nördlicheren Territorien errichtet wurde. Aufgrund der hiesigen Schwefelquellen maß das Königreich diesem Ort einen hohen Stellenwert zu und so war es kein Wunder, dass die Bewohner von Iskel Fjord der königlichen Besatzertruppe zahlenmäßig unterlegen waren. Die Art, wie Khjelben die Burg ansah, ließ mich für einen kurzen Moment erschaudern. Ich hatte gewiss schon Wut in seinen Augen zu sehen geglaubt, so dachte ich jedenfalls, aber das, was ich nun erkannte, musste etwas sein, das bloßen Hass bei weitem überstieg. Es war die Art, wie eine Mutter den Mörder ihres Kindes betrachtet, oder aber auch ein zu Unrecht Verurteilter seinen Folterknecht. Zu diesem Zeitpunkt wünschte ich mir, Khjelben würde lieber umkehren, doch er schien eher etwas anderes im Sinn zu haben.
Wir gingen den steinigen Pfad zum Dorfplatz hinunter, an dessen einer Ecke das Burgtor lag. Gerade als wir den Platz erreichten, wurde das Burgtor geöffnet und eine kleine Schar bewaffneter Soldaten, angeführt von einem Hauptmann in polierter Plattenrüstung, betrat den Platz. Nach ein paar Kommandos des Hauptmanns, dessen Spitzbart von den meisten Bewohnern und auch mir als ziemlich lächerlich empfunden wurde, stellte sich die Schar in einer Reihe auf und präsentierte ihre unhandlichen Hellebarden. Mir fiel sofort auf, dass die unbehände Art, wie einige ihre Waffen hielten, und die Tatsache, dass einige jämmerlich zu frieren schienen, wohl darauf hindeutete, dass sie erst seit kurzem im Norland stationiert waren. Der Platz war schnell bevölkert von allerhand Nortraven des Dorfes und einigen Königreichlern. Als genügend Volk anwesend war, ließ der Hauptmann einen kleineren Soldaten mit besticktem Lederwams vortreten. Dann folgte ein „Aaaachtung“, wobei das Ende in einen halben Nieser überging, sich der Hauptmann danach die Nase rieb und den lustigen Spitzbart zwirbelte. Das jedoch veranlasste viele der umstehenden Nortraven zu einem fröhlichen Gelächter und Witzeleien. Im Gegenzug aber den Hauptmann zu abfälligen Blicken auf seine Spötter. Der kleinere Soldat räusperte sich kurz, holte tief Luft, entrollte ein Schriftstück und begann dann laut vorzulesen: „Hört! Hört! Seine Durchlaucht, der Baron Creon McTennan, gibt bekannt, dass sich das Volk von Iskel Fjord am morgigen Tage zur Feier seines Geburtstages im Burghof einfinden wolle. Als Zeichen seiner Gutmütigkeit und Großzügigkeit,“ – in diesem Moment flogen ein paar alte Fische aus den hinteren Reihen auf die Soldaten, zwei trafen den Vorlesenden. Der Hauptmann winkte vier seiner Männer in die Richtung, die sich dann im Laufschritt aufmachten, die Fischwerfer zu finden. Mit einem weiteren Zeichen wies er den kleinen Soldaten an weiterzulesen. – „Als Zeichen seiner Gutmütigkeit und Großzügigkeit„ – Missfallensrufe kamen jetzt von der anderen Seite des Platzes – „wird dem Volk gestattet, bei Wein, Gesang und einem gebratenen Ochsen dieser Feierlichkeit beizuwohnen.“ Danach rollte er das Pergament wieder zusammen und trat in seine Reihe zurück. Der Hauptmann ließ die Soldaten wieder durch das Burgtor marschieren, allerdings legten sie das letzte Drittel des Weges etwas zügiger zurück, da sie von faulendem Gemüse und noch weiteren Fischen eingedeckt wurden, begleitet von allerhand wüsten Beschimpfungen. Als sich das Burgtor langsam wieder schloss, begann auch die Menge den Platz zu räumen. Wir folgten dem größten Haufen der Menge, der sich in Richtung Hafen und wohl in Richtung der nächsten Taverne bewegte. Zumindest war das meine Hoffnung, welche auch prompt bestätigt wurde. Nach den letzten Strapazen unserer Wanderung sehnte ich mich mal wieder nach einem richtigen Bier – oder mehreren.
Die Taverne war recht groß für so ein kleines Dorf, aber schnell waren alle Tische besetzt. Khjelben schien jemanden im hinteren Bereich der Taverne entdeckt zu haben, ging geradlinig auf einen Tisch mit drei alten Männern zu und blieb davor vorerst stehen. Sie sahen heruntergekommen und ärmlich gekleidet aus, dennoch ließ ihre Art sich zu bewegen, die Axt, die der eine mit sich trug, oder die Goldkette, die bei dem anderen am Hals herauslugte, erahnen, dass die drei schon bessere Zeiten erlebt hatten. Als wir ankamen, redeten sie wohl über die Feierlichkeiten, wobei einer der Alten – er saß direkt am Kopfende des Tisches, gegenüber der Position, an der Khjelben stand – ziemlich aufgeregt war und gerade laut lachte, um uns sein fast zahnloses Maul zu präsentieren. Außerdem bemerkte ich etwas später, dass er auch nur einen Arm zu haben schien. Als er uns sah, musterte er mich kurz und schweifte dann mit seinem Blick zu Khjelben. Ein kurzes Funkeln schien in seinen Augen aufzukeimen, dann eine Art Ungläubigkeit. Er kniff die Augen zusammen und brach plötzlich mit einem Satz hervor, den ich mir in meinem ganzen Leben nicht zu Khjelben zu sagen gewagt hätte: „Khjelben du alter Mistbock, sag bloß, die Würmer haben dich immer noch nicht gefressen? Wie lange willst du deinen alten Körper den Viechern denn noch vorenthalten? Thjarek müsste doch wohl schon genug von dir haben. Soll er sich doch mal Jüngere für diesen Dienst aussuchen.“ Ein breites Grinsen brachte die wenigen Zähne des Einarmigen zum Vorschein. Ich hätte in diesem Moment fast jede Reaktion von Khjelben erwartet, aber nicht, dass er dem Alten um den Hals fiel und ihn wie einen Bruder begrüßte. Naja, fast wie einen Bruder: „Tjalf, du alter Hurensohn. Wenn du weiter so eine große Klappe hast, werden dir wohl auch noch die letzten Zähne ausgeschlagen werden oder ich werde dir auch noch deinen anderen Arm abschlagen müssen. Jetzt mach aber erst mal Platz, du verlauster Seeräuber, und lass den Jungen hier und mich dazusetzen.“ Der Abend wurde dann noch recht vergnüglich und ich lauschte gespannt den Erzählungen, die der Alte so zu erzählen wusste. Wie sich herausstellte, handelte es sich um Tjalf den Schwarzen, Anführer des Blutwolf-Clans. Einer der berüchtigsten Piraten, den diese Gegend hier gesehen hatte. Bis zu dem Tag, als ein junger Berserker namens Khjelben ihm seinen rechten Arm abschlug. Danach atmete die Region hier auf und man sah nur selten wieder eines der Blutwolfschiffe; bis zu dem Tag, als die Armee der Menschen ins Norland einfiel. Damals kämpfte der Blutwolf-Clan Seite an Seite mit den Mannen des Hetmanns um einen Gebirgspass hier ganz in der Nähe. Und es gelang ihnen, wochenlang diesen Pass gegen eine große Übermacht zu halten, bis sie schließlich nach zahllosen Angriffswellen das Feld räumen mussten. Kurz danach wurde auch Iskel Fjord von den Königreichlern besetzt. Irgendwann später am Abend machte ich dann wohl einen Fehler, indem ich die Frage stellte, ob die drei denn auch morgen zum Geburtstag des Barons erscheinen würden. Als ich die Frage fertig gestellt hatte, sah es auf den ersten Blick so aus, als würden mich alle auf der Stelle zu Mus verarbeiten wollen. Tjalf war der erste, der wieder mit mir sprach, und das auch nur, um mir eine Rede zu halten, die ich nicht so schnell vergessen sollte: „Das war doch jetzt hoffentlich ein Witz, oder? Sag mal, bist du noch bei Trost? Hat Dir Khjelben denn nichts beigebracht? Diese Leute sind Abschaum. Selbstgerechte und herrschsüchtige Lackaffen, die von Schweinen in bunten geschmacklosen Kleidern regiert werden, die nichts besseres zu tun haben, als sich für die Krone der zivilisierten Welt zu halten und alle anderen als minderwertig zu betrachten, und deshalb alle unterdrücken dürfen. Kaum einer von denen hat den Stolz und die Ehre, wie sie selbst jeder nortravische Bauer hat. Die Orks mögen zwar hier eingefallen sein und auch gegen uns Krieg geführt haben, aber gegen das, was die Königreichler hier anrichteten, sind die Orks noch ein anständiges und ehrenvolles Volk. Jaja, die Königreichler reden immer vom Guten, das sie uns bringen wollen, und dass sie nur friedliche Absichten haben. Aber jedes Mal, wenn sie etwas Gutes tun wollen, muss unser Volk darunter leiden und büßt einen Teil seiner Freiheit ein: Im Namen des Guten wurden unsere Dörfer verbrannt; im Namen des Guten wurden unsere Frauen geschändet; im Namen des Guten wurden Eltern die Kinder weggenommen und verschleppt; und im Namen des Guten wurden unsere Männer getötet oder zum Bau solcher Burgen wie der da draußen gezwungen. Und in all diesem Leiden müssen wir stets das Wappen des Königs sehen, das immer unserem Unheil beiwohnt. Und wenn du denkst, dass dieser Baron uns einlädt, um uns etwas Gutes zu tun, dann bist du falsch gewickelt. Das tut der nur, um uns in seiner überheblichen Art zu zeigen wie toll er doch ist und um uns in all seiner Pracht vorzuführen, dass seine Hunde das Jahr über etwas besseres zu Fressen bekommen als wir auf seinem Fest – dieser fettwanstige Drecksack. Aber dieses Jahr wird er ein unvergessliches Geburtstagsgeschenk erhalten. Die Spielereien haben jetzt ein Ende. So was macht er nicht mehr mit uns und nicht hier. Nicht im Lager der BLUTWÖLFE!“ Beim letzten Wort, das er in den Raum brüllte, stiegen plötzlich alle in der Taverne mit ein, und ein unheimliches lautes Wolfsheulen setzte in der Taverne an. Auch andererorts in Iskel Fjord fand das Heulen auf Erwiderung. Das erste Mal seit vielen Jahren fand dieses Heulen wieder an die nortravischen Küsten zurück, und es hatte nichts an seiner einschüchternden Wirkung verloren. Auch als es wieder still in der Taverne geworden war, hörte man vereinzelt draußen immer wieder Gruppen, die lauthals bekanntgaben, dass die Blutwölfe wieder mit ihrer Hatz begonnen hatten. Ich war teilweise eingeschüchtert und verwundert und wusste nicht recht, wie ich mich verhalten sollte. Aber schließlich fiel mein Blick auf Khjelben. Als ich ihn leicht schmunzelnd und zufrieden vor seinem Bierkrug sitzen sah, wusste ich, dass uns hier nichts passieren würde – uns nicht.
Der folgende Abend verlief dann noch recht lustig. Wir verbrachten einige Zeit damit, Karten zu spielen und weitere Bierkrüge zu leeren, während den ganzen Abend lang immer wieder kleinere Gruppen von Nortraven die Taverne betraten, ihre Anwesenheit mit einem leichten Nicken zu einem der drei alten Männer an unserem Tisch bekanntgaben und auf die selbe Weise auch von den Dreien zurückgegrüßt wurden. Bei einigen der Neuankömmlinge war ich mir ziemlich sicher, dass es sich um erfahrene Krieger handeln musste. Die Art, wie sie sich bewegten, ihre vernarbten Arme und die Weise, sich in dem Raum umzublicken und die Lage zu sondieren, waren eindeutig.
Der Tag des großes Festes war gekommen. Die ersten schwachen Strahlen der Sonne bahnten sich mühsam durch die grau-tristen Nebelschwaden des kleinen Dorfes, die neben dem immer wieder ansetzenden Wolfheulen die Nacht beherrscht hatten. Der Nebel verzog sich langsam und machte einigen kleinen Grüppchen von Nortraven Platz, die in ihrer nicht gerade prunkvollen Kleidung aus grobem Leinen und Fellen in Richtung Burg zogen. Das Burgtor war geöffnet und drei Doppelwachen kontrollierten alle, die zum Geburtstag des Barons erschienen. Gruppe für Gruppe des ankommenden Volkes wurde durchsucht und in den Burghof weitergeschickt, wo einfache Holztische und Bänke aufgebaut worden waren. In der Mitte war ein großes Feuer errichtet und darüber brutzelte ein ganzer Ochse an einem Spieß. Diener des Barons waren damit beschäftigt, den Leuten im Hof billiges Bier auszuschenken oder immer wieder etwas vom Ochsen zu bringen. Es war schließlich von allem genügend da; nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung schien der Einladung des Barons gefolgt zu sein und so waren viele der aufgebauten Tische unbesetzt. Den Wachen schien das Ganze nur recht zu sein. Sie waren es gewohnt, dass das Volk von Iskel Fjord sie nicht mochte, und jedes Mal, wenn zu viele Nortraven auf einem Haufen beisammen waren, mussten die Wachen darauf vorbereitet sein, dass es Ausschreitungen gab. Dass an diesem Tage nicht damit zu rechnen war, stimmte auch die Wachen vergnüglicher, und ihre Anspannung sank. Einige ließen sich in der Folge auch dazu hinreißen, sich selbst ein Bier zu gönnen oder ein Schwätzchen mit der holden Weiblichkeit, den Töchtern von galadonischen Händlern oder den beschäftigten Mägden, zu führen. Auch der Baron selbst schien sich auf seinem Balkon, über dem ganzen Innenhof thronend, mit zwei Mätressen, seinem Berater, drei Junkern und dem Hauptmann der Wachen in seiner Begleitung, köstlich zu amüsieren – bis zu einem gewissen Vorfall.
Ein Heulen im Dorf setzte an, das dann auf vielfache Erwiderung stieß, und auch einige Nortraven im Burghof setzten mit ein. Furcht zeichnete sich im Gesicht des Barons ab, der dieses Heulen wohl noch aus dem Krieg sehr gut zu kennen schien. Auch einem der Junker und dem Hauptmann merkte man an, dass sie wussten, mit wem sie es zu tun hatten. Auf einen Wink des Hauptmanns hin rannten zwei Gardisten in Richtung der Wachbrücke, um das Tor zu schließen. Kurz, nachdem sie die Torbrücke betreten hatten, wurden ihre blutigen Körper aus den Fenstern der Wachbrücke zwischen die Bänke und Tische des Innenhofs geworfen. Drei große vermummte Gestalten lösten sich aus den Schatten der Wachbrücke und zeigten sich an den Fenstern, blutige Äxte in ihren Händen. Die drei legten ihre Umhänge ab, sodass jeder sie erkennen konnte. Es waren die drei Patrone des Blutwolf-Clans mit Tjalf dem Schwarzen in ihrer Mitte. Langsam erhob er seine Axt und deutete auf den Baron, der ihm direkt gegenüber auf dem Balkon saß. Der Innenhof und die umherstehenden Soldaten wirkten wie angefroren, keiner war zu irgendeiner Aktion fähig. „Duuu!! Du hast zum letzten Mal deinen fetten Körper auf unsere Kosten vollgestopft. Das ist unser Land hier und kein Königreichler wird das jemals ändern können.“ Langsam wie geworfene Äxte verließen diese Worte Tjalfs Mund, die blutige Kampfaxt immer noch erhoben und auf den Baron gerichtet. Jedes dieser Worte traf den Baron und ließ ihn fester in seinen gepolsterten Stuhl sinken. Tjalf blickte noch eine Weile zornig auf den Baron und auf den Balkon mit den restlichen namhaften Königreichlern, bevor er wieder zu einem Heulen ansetzte, das nun etwas einleitete, was der Baron wohl in seinen schrecklichsten Träumen nicht zu sehen gewagt hatte. Bei diesem Heulen stiegen die anderen zwei Patrone mit ein, die Nortraven im Burghof heulten mit, und eine große Meute von Nortraven stürmte wild heulend und brüllend aus mehreren Richtungen auf das Burgtor zu. Die wenigen Nortraven im Burghof hatten sich inzwischen schon provisorisch bewaffnet und begannen auf die noch etwas erschreckten Wachen einzustürmen, während Tjalf und seine zwei Begleiter die Wachbrücke hielten und das Schließen des Tores verhinderten. Lange mussten sie dort auch nicht ausharren, denn die wenigen Wachen am Tor wurden schnell erschlagen und eine gut bewaffnete und kampferprobte Schar Nortraven – zumeist Blutwolf-Piraten – kontrollierte den Burghof, hatte bald sämtliche Wachen dort mit gezielten wuchtigen Hieben niedergemäht und jagte laut grölend Königreichler durch die Burg.
Bald war die gesamte Burg in nortravischer Hand, bis auf die letzten paar Räume unten im Verlies, in die sich der Baron und einige wenige seiner Leute verkrochen hatten. Immer wieder krachte ein dicker Balken, der als Rammbock diente, von außen gegen die schwere Eichentür, bis sie schließlich nachgab und den Blick auf den kümmerlichen Rest der galadonischen Obrigkeit freigab. Ein Junker, der Hauptmann und der Baron, aneinandergekauert wie Ratten in der hintersten Ecke des Verlieses. An dem Ort, an dem zahllose Nortraven hatten leiden müssen und gefoltert wurden, weil sie den Namen Thjareks aussprachen oder vor dem Baron nicht niederknien wollten. Bedrohlich schoben sich immer mehr nortravische Männer in den Raum, ihre Gesichter bespritzt mit dem Blut galadonischer Wachen, Schweißperlen auf der Stirn, und schwer atmend ihre Waffen haltend. Jeder von ihnen wirkte, als wolle er dem jämmerlichen Haufen Königreichler jeden Moment das Leben nehmen. Tjalf schob sich langsam durch seine schnaubenden Männer, bis er vor dem Baron stand, welchen jetzt anscheinend wieder ein Funke des Mutes überkam. „Denkst du Verbrecher, du kommt damit durch? Das Königreich wird Verstärkung schicken und euch alle töten lassen. Wenn euch Barbaren soviel daran liegt, uns zu schaden, dann tötet uns doch, aber das Königreich wird zurückschlagen und jeden eurer Hiebe dreifach vergelten.“ Tjalf begann bei den Worten des Barons langsam finster zu lächeln. „Soso, wird es das, das Königreich. Wir fürchten uns ja schon schrecklich“ – Gelächter erfüllte den düsteren Raum – „bedauerlicherweise hat ein Erdrutsch den Pass unpassierbar gemacht und im letzten Sturm gingen die beiden großen Schiffe deines Grafen plötzlich unter – Blubb, Blubb. Wenn also irgendwer überhaupt mitbekommen wird, was hier vor sich ging, dann nicht vor dem kommenden Frühjahr. Und keine Angst, töten werden wir euch nicht. Ihr habt den Tod nicht verdient. Eure Männer da draußen haben gekämpft, haben sich uns in den Weg gestellt. Die hatten den ehrenhaften Tod verdient. Ihr aber werdet das gleiche Ende finden wie viele Nortraven und auch mein Sohn, den ihr zum Bau dieser Burg gezwungen habt. Ihr werdet so lange schuften, bis eure Körper nur noch schmerzende, wunde Klumpen sind, und bis ihr euren Bellum verflucht, dass er eure Füße jemals hierhergelenkt hat. Willkommen an Bord, meine RUDERSKLAVEN!“ Wieder setzte ein lautes Gelächter an, das aber in das Heulen der Blutwölfe überging und bald schon das ganze Tal erfüllte.
Khjelben und ich waren schon wieder am Aufstieg und setzten unsere Reise fort, als jenes Heulen unsere Blicke wieder auf das Dorf und die Burg lenkte. Laute Gesänge waren aus dem Tal zu vernehmen und einige dunkle Rauchsäulen stiegen aus der Burg empor. Hinter der Landzunge im Nordwesten tauchten fünf große Weise Segel auf, in deren Mitte jeweils ein roter Wolfskopf prangte. Majestätisch schwammen die fünf großen Drachenboote in den Hafen, den sie wohl seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen hatten. Iskel Fjord gehörte wieder den Blutwölfen. Dann fiel mein Blick wieder auf Khjelben, wie er die Burg betrachtete. Diesmal jedoch lag Zufriedenheit und Wohlwollen in seiner Miene. Mit einem leichten Nicken wandte er sich ab und gab mir ein Stück von dem gebratenen Ochsen, die andere Hälfte behielt er für sich. Er biss einmal herzhaft ab und sagte dann noch mit halbvollem Mund: „Ragnar, langsam kommt wieder etwas Leben in den alten Norddrachen.“ Khjelben hielt kurz inne und mampfte, bevor er weiter sprach „Bald wird es an der Zeit sein, dass wir ihn wecken … aber das wird dann nicht mehr meine Aufgabe sein. Thjarek wird das einen anderen machen lassen. Und er hat seine Wahl schon getroffen.“ Ich nahm das Stück Fleisch und aß. Khjelbens Worte schwirrten noch die ganze Nacht in meinem Kopf, ergaben aber so gut wie keinen Sinn … genauso wenig, wie es Sinn gehabt hätte, ihn zu fragen. Er hätte sich nur noch komplizierter und umständlicher ausgedrückt, wenn es um Thjarek und seine Vorsehungen ging. Irgendwann würde er mir schon zeigen, was er damit meinte; das hatte er bisher auch immer getan.
Narben
… das Land wurde zunehmend grüner und fruchtbarer, je weiter wir in den Süden zogen. Zwar gab es hier weder saftige grüne Weiden noch dichte Laubwälder, aber zumindest war der Süden des Norlandes so fruchtbar, dass man hier vernünftig Ackerbau oder Viehzucht treiben konnte, ohne immer am Rande des Hungerleidens stehen zu müssen, wie es die Bauern im Norden taten. Unsere Stimmung war seit einigen Tagen recht gehoben. Hjarssa, eine Gauklerin, war seit zwei Tagen an unserer Seite und wollte uns ein Stück unseres Weges begleiten. Auch wenn sie nicht direkt zur Stimmung beitrug, sondern mehr ruhig da saß oder Khjelben – den „Mythos“, wie sie ihn anfangs nannte – mit großen Augen musterte. Doch trug sie schon durch ihre bloße Anwesenheit zur Heiterkeit der Situation bei, während wir durch den Süden wanderten. Es war ziemlich erfrischend, ihre weichen runden Formen und ihre fast zierliche Gestalt abends im Schein des Lagerfeuers zu betrachten, ihre wallenden roten Haare und ihre anmutigen Bewegungen, wenn sie ein wenig abseits des Lagers ihre Jonglier- und Akrobatikkünste übte. Sie war ohne Frage eine wunderschöne Frau und ich meinte selbst in den uralten Augen Khjelbens noch das Feuer der Erregung gesehen zu haben, als er sie betrachtete.
Auch wenn unser Weg durch eine für mich prachtvoll grüne Landschaft führte, welche ein galadonischer Bauer immer noch als karge Einöde bezeichnet hätte, so fiel uns bald auch auf, dass sich eine bedrückende Stille über die meisten Bewohner dieses Landstrichs gelegt hatte. In Dörfern des Nordens wurden wir offen empfangen, Kinder tobten um uns herum, die Türen standen offen, falls nicht gerade Winter war, und oft wurden uns schon derbe Sprüche oder Witzeleien an den Kopf geworfen, kaum dass wir ein Dorf betreten hatten. Gut, Kinder säumten hier auch unseren Weg und sie hatten meist nichts von ihrer Fröhlichkeit verloren, aber in den Augen der meisten Erwachsenen lag oft eine seltsame Melancholie. Die Häuser hier waren oft durch schwere Türen gesichert, obwohl es hier doch auch im Winter viel wärmer als im Norden war. Als ich später Khjelben drauf ansprach, meinte er, es wäre der Verlust der Freiheit, der diese Nortraven am meisten belastet. Die Freiheit zu tun was sie wollen, die Freiheit zu glauben was sie wollen und die Freiheit zu sagen was sie wollen, all das habe man ihnen genommen. Sicher gäbe es Ausnahmen – Leute die sich gegen den schlechten Einfluss wehren würden – aber darunter hatten dann oft andere zu leiden. Bei diesen Worten deutete er auf die staubige Straße vor uns, auf der ein paar Kinder „Ritter gegen Berserker“ spielten. Es erschreckte mich zu sehen, wie drei Kinder, welche Bratpfannen vor ihre Brust gebunden hatten auf einen in Fell gekleideten Jungen einschlugen, bis dieser am Boden lag und blutete, ehe sie ihn dann als „nortravischen Feigling“ beschimpften. Die drei „Ritter“ rannten in ein großes Haus, an dem das galadonische Wappen prangte, als Hjarssa einschritt und dem Kleinen hochhalf. Bei einigen der Nortraven, die in der Nähe standen, erkannte ich schon Erleichterung oder Hoffnung in den Mienen, andere sah ich aber auch irgendwie ängstlich in Richtung des Hauses schielen. Zur gleichen Zeit murmelte Khjelben neben mir etwas in den Bart, was mir noch lange in den kommenden Tagen im Kopf schwirrte: „Sie spielen das nach, was ihre Eltern Tag für Tag erleben.“
Unser Weg führte uns nach Echjol’s Borg, einer etwas größeren Stadt im Süden. Hier gab es einige mehrstöckige Häuser, die man schon weit aus der Ferne sehen konnte, und in der Mitte der Stadt türmte sich die alte Burg auf, auf der nun ein fremdes Banner mit den Farben des galadonischen Königs prangte. Hjarssa freute sich schon auf die Stadt, wollte sie hier doch auftreten und so für eine Auffüllung ihrer Reisekasse sorgen. Also schritten wir direkt auf den großen Marktplatz im Zentrum von Echjol’s Borg zu, auf dem geschäftiges Treiben herrschte. Hier war Hjarssa plötzlich verschwunden. Eben stand sie noch hinter uns, und nun konnte ich sie nicht mehr entdecken. Auch Khjelben war verwundert und starrte mal hier- und mal dorthin, doch konnten wir Hjarssa nicht entdecken. Wir liefen sogar noch ein Stück des Wegs vom Marktplatz zurück – nichts, Wie vom Erdboden verschluckt. Von ihr war nichts zu sehen, dafür konnten wir bald von ihr hören. Mitten auf dem Marktplatz war bald das Klappern von Schellen und das Schlagen eines Tambourins zu hören. Viel Volk lief zusammen und scharte sich inmitten des Marktplatzes um eine spärlich bekleidete, junge Frau, die am ganzen Körper bunte Bemalungen zeigte – Hjarssa. Sie stolzierte dort unter rhythmischem Schlagen und Scheppern mit dem Tambourin im Kreis und versammelte so die Leute um sich. Sie war einfach wunderbar anzusehen, und wie sie zu Beginn tanzte, veranlasste die meisten der umstehenden Männer dazu, zu schwitzen oder mit offenem Mund gaffend dem Treiben völlig gebannt zuzusehen. Bald schon hatte sich die Kunde dieser besonderen Darbietung wie ein Lauffeuer im Städtchen verbreitet und ständig stürmte mehr Publikum auf den Marktplatz. Irgendwann, als Hjarssa gerade dabei war, eine Parodie der alten Legende von „Bolthar und der Trollhäuptling“ zum Besten zu geben, drängte sich von der Burg her eine Schar Hellebardiere auf den Platz, gefolgt von einem Reiter auf einem weißen Schimmel, einem kleinen dunkelhaarigen Mann mit einem rotem, viel zu warmen Wams, grünen Samthosen und hohen, glänzenden Reiterstiefeln. Das Volk machte dem ganzen Tross etwas widerwillig Platz, es gab schließlich nur wenig Raum um auszuweichen, aber letzten Endes drängte sich der Reiter doch in die vorderste Reihe der Schaulustigen, ohne von seinem Reittier herabzusteigen. Seine Hellebardiere schafften Platz um ihn herum. Hjarssa war in dem Moment gerade dabei, die Legende von Bolthar zu beenden: „… und so stolzierte der Hüne Bolthar aus der Höhle und wart fortan als Führer einer dumpfen Bande von Trollen gefürchtet.“ Dabei zeigte sie auf den Reiter und seine Mannen, sodass in der ganzen umstehenden Menge Gelächter und überschwängliches Gejohle ausbrachen. Der Reiter wurde etwas rot im Gesicht und legte ernste Miene auf, betrachtete aber Hjarssa’s weitere Vorstellung mit einem funkelnden Ausdruck in seinen Augen bis zum Ende. Lautes Geklatsche und „Bravo“-Rufe folgten dem Ende von Hjarssa’s Vorstellung, bei dem sie mit brennenden Fackeln jongliert hatte. Es war atemberaubend. Viele der Zuschauer und auch ich waren noch wie gebannt, als sie schon wieder ihren Fellumhang um sich legte und begann, mit ihrem Tambourin etwas Geld einzusammeln. Kaum einer hatte bemerkt, wie mehr Soldaten langsam auf den Platz gekommen waren und sich am Rande verteilt hatten. Jene, die sie aber bemerkt hatten, begannen sich vom Marktplatz zurückzuziehen.
Hjarssa hatte viel mehr eingenommen als sie erwartet hatte, lief am Ende ihrer Sammelaktion freudig lächelnd auf mich zu und fiel mir überraschenderweise um den Hals. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Ich sah sie verwundert an und wusste gar nicht, was ich tun sollte. „Ragnar, wo ziehen wir als nächstes hin?“ gab sie quietschvergnügt von sich und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ein Flattern im Bauch und ein Glücksgefühl stieg in mir auf, als sie mich so umarmte, und ich war gar nicht in der Lage schnell etwas zu sagen – doch das tat dann an dieser Stelle auch schon ein anderer. „Du ziehst nirgends hin, Tänzerin. Du wirst diese Nacht mit mir verbringen. Und mir eine ganz besondere Vorstellung bieten“ sprach der Reiter mit einem fiesen Grinsen im Gesicht. Die Leute, die bis jetzt noch auf dem Platz waren, begannen sich schleunigst zu verziehen. Hjarssa fuhr erschrocken herum und sah den Mann an, wie auch ich in diesem Moment. In diesem Augenblick ergriffen auch schon zwei Hellebardiere ihre Handgelenke und zerrten sie in Richtung des Reiters. Sie fluchte und schimpfte, konnte aber gegen die zwei Gardisten nichts ausrichten. Ich fasste mich sehr schnell wieder, sprang auf die beiden zu und schubste den einen kräftig beiseite, sodass dieser einige Meter weiter vortaumelte und schließlich flach im Dreck landete. Schnell griff ich nach Hjarssa’s Hand, welche auch zugleich meine Hand stark festhielt, während sie mich verzweifelt ansah. Im Nu zeigten ein halbes Dutzend Hellebarden an meine Kehle. Hjarssa wurde weiter in Richtung Burg weggeschleppt, den Kopf noch immer zu mir gedreht und mich mit großen, traurigen Augen anblickend. Dann verlor ich sie aus meiner Sicht und wandte mich wieder meiner eigenen Situation zu. Um mich herum standen ein halbes Dutzend Hellebardiere, die ihre Waffen auf meinen Hals richteten, ein weiteres Dutzend direkt bei dem kleinen Mann auf dem Pferd und über den Marktplatz verteilt noch weitere vier Dutzend. Vom normalen Volk war nun kaum jemand mehr anwesend. Selbst Khjelben konnte ich nicht mehr entdecken, doch muss ich eingestehen, dass ich auch nur wenig Spielraum hatte, um mich umzublicken. Der eine Gardist war vom Boden aufgestanden, trat vor mich hin und schlug mir seinen Panzerhandschuh ins Gesicht, worauf sich ein metallisches Gefühl in meinem Mund ausbreitete. Mir wurde kurz schwindlig, ich hielt mich aber weiter aufrecht. Der kleine Königreichler stieg von seinem Ross und trat langsam näher. „Und was haben wir hier? Einen weiteren dummen nortravischen Bauern. Ihr Bastarde lernt wohl nie, wie man sich seinem Stadtoberhaupt gegenüber zu benehmen hat?“ Mit hasserfülltem Gesicht sah ich den kleinen Mann an, dem die aktuelle Situation offensichtlich Genuss bereitete. Einer der Gardisten griff an meinen Kragen und versuchte mich nach unten zu ziehen. „Willst du seine Durchlaucht, den Junker von Echjol’s Borg nicht grüßen, wie es sich für einen braven Untertanen gebührt?“ Ich widerstrebte, blieb widerwillig stehen und brummte ihn nur an. Der Griff einer Hellebarde wurde mir in den Magen gerammt, dann donnerte etwas von hinten in meine Kniekehlen und ich ging zu Boden. Der Junker trat einige Schritte vor und stellte sich vor mich. Auch voll aufgerichtet war er gerade eine Elle größer als ich kniend. „Aber, aber. Du bist aber ein ungezogener Nortrave. Hat man dir denn kein Benehmen beigebracht?“ witzelte der kleine Junker in albernem Tonfall. Ich kochte vor Wut: „Benehmen? Bei Thjarek, das sagt der Richtige. Schließlich hast Du Hjarssa …„ Weiter kam ich nicht, denn schon wieder donnerte mir der Panzerhandschuh eines Gardisten in das Gesicht. Blut lief mir aus der Nase und dem Mundwinkel. „Bellum. In dieser Stadt wird mit „Bellum zum Gruße“ gegrüßt. Euer verlauster Piratenkapitän Thjarek hat hier nichts verloren“ grinste mich der Junker amüsiert an. „Aber ihr Barbaren lernt ja nicht so schnell. Vielleicht brauchst du einfach etwas Übung. Also, versuchen wir es noch einmal. Grüß mich, wie es sich gebührt!“ Alles was er von mir erhielt waren wieder hasserfüllte Blicke. „War wohl etwas zu schwierig? Sind ja auch drei Worte auf einmal, die du lernen müsstest“ – die umstehenden Gardisten lachten – „versuchen wir es einfacher. Als Zeichen deiner Unterwürfigkeit und deiner treuen Ergebenheit zum König sei dir nun gestattet meinen Stiefel zu küssen.“ Er hielt seinen blankpolierten Stiefel vor. Ich spuckte das Blut, das sich in meinem Mund angesammelt hatte auf seinen Stiefel. „Thjarek wird euch alle …“ war alles, was ich danach noch sagen konnte. Der Panzerhandschuh traf mich wieder voll ins Gesicht, von hinten donnerte etwas gegen meinen Kopf und der Junker trat mir zwischen die Beine. Es wurde schwarz.
Ich erwachte in einem dunklen Raum ohne Fenster. Eine einzelne Fackel erhellte das Gemäuer und ich konnte mich nicht bewegen. Meine beiden Hände waren mit Ketten an der Decke befestigt. Eine schwere Holztür war die einzige Öffnung des Raumes und das einzige, was sich sonst noch im Raum befand, war ein kleiner Holztisch, auf dem eine seltsame Peitsche, kleinere Tonschälchen und merkwürdige Messer lagen. Von draußen konnte ich immer wieder Wimmern und Schluchzen hören. Es mussten wohl noch andere das gleiche Schicksal mit mir teilen. Dann folgte eine Zeit, die wie ein schlimmer Alptraum in meine Gedanken eingebrannt ist. Ich kann nicht mehr sagen, wie lange es war. Ob es Stunden oder Wochen waren. Nacht oder Tag. Der Junker besuchte mich immer wieder mit vier Kerkerwärtern. Ich wurde immer wieder aufgefordert, mit „Bellum zum Gruße“ zu grüßen, doch kein Wort verließ meine Lippen. So wurde ich mit der Neunschwänzigen – so nannten sie die Peitsche, deren neun Enden mit kleinen Metallteilen bestückt waren – geschlagen. Immer wieder wurde ich aufgefordert zu grüßen, immer wieder bekam ich Schläge. Am Ende streuten sie mir jedes Mal Salz aus einem der Tontöpfchen auf meinen von der Peitsche aufgerissenen Rücken. Bald schon war ich immer weniger wach, verlor jeden Sinn für das Gleichgewicht, nahm alles um mich herum nur noch verschwommen war, meinte aber festzustellen, dass bei den folgenden Folterungen der Junker nicht mehr anwesend war, sondern nurmehr die vier Kerkerwärter allein ihre sadistischen Spielchen mit mir trieben. Mein Körper schmerzte nicht mehr und bald kam mir alles nur mehr wie ein Traum vor. Die Stimmen, die an mich heranhallten, meine unterdrückten Schreie, die auf die Schläge folgten, mein Körper, der sich nach jedem Schlag aufbäumte, all das wurde immer weniger real. Immer ferner trieb all das aus meinem Geist, immer öfter wurde es Nacht und immer öfter roch ich das Meer, hörte die Wellen und die Möwen, spürte eine steife Brise im Gesicht, Schneeflocken auf meiner Haut. Ich weiß auch bis heute nicht, ob all das Folgende denn nun auch ein Traum war, oder ob es real gewesen ist, aber irgendwann tänzelten Schneeflocken durch den Spalt in der Zellentür, als meine Peiniger wieder dabei waren, mir ein „Bellum zum Gruße“ zu entlocken. Draußen hörte man berstendes Holz, gequälte und jämmerliche Schreie. Dumpfe Schläge und … das Brüllen eines Bären. Einer der Kerkerwärter drehte sich mit erhobener Peitsche zur Tür, als diese unter donnerndem Krachen aus den Angeln gefegt wurde, quer durch den Raum flog und den Kerkerwärter an der gegenüberliegenden Wand zerquetschte. Ich nahm all das nur wie in Trance wahr und verlor auch schnell wieder die Besinnung. So wusste ich nicht, ob es ein Traum gewesen war oder was in den darauf folgenden Momenten passiert ist. Wieder huschten Bilder meiner Heimatstadt durch meinen Geist. Der Hafen von Sturmbach, Hagen das Walross wie er mich schalt, meine Freunde und ich wie wir am Kai spielten – dann änderte sich der Träum. Immer wirrer und verquerer wurden die Bilder. Ich schwebte in tiefer Dunkelheit unten im Meer, weit oben entfernt war ein Lichtschein, auf den ich langsam zuschwamm, immer näher und näher. Als ich näher war, konnte ich das Licht sehen. Es war, als schiene etwas sehr helles durch eine dicke Eisdecke, die Eisdecke welche mir die Luft verwehrte. Ich bekam keine Luft. Ich strampelte, klopfte dagegen. Immer verzweifelter, immer schneller. Und erschlaffte. Vor mir donnerte eine riesenhafte Faust mit einem Hammer durch die Eisdecke und ich schlug die Augen auf. Vor mir sah mich schmunzelnd ein altbekanntes Gesicht an, blutbespritzt, alt und faltig. Khjelben legte mir die Hand auf die Stirn und redete beruhigend auf mich ein „Ist wieder alles gut, bist in Sicherheit. Schlaf.“ Meine Augen schlossen sich wieder.
Hjarssa hatte sich anscheinend das Leben genommen; schon kurz nachdem sie in der Burg in eine Kammer gesperrt wurde und lange bevor dieser verfluchte Junker auch nur einen Finger an sie legen konnte. Unter Khjelbens Fürsorge waren meine Wunden schnell verheilt, doch bis heute zeugen die großen Narbenstriemen auf meinem Rücken von diesem Tag und ein „Bellum zum Gruße“ bringt all den Hass und Schmerz wieder in mir auf, den ich niemals vergessen werde … NIEMALS!
Die Geschichte muss dem Freischalter verdeutlichen, dass ihr euch mit der Rasse der Nortraven und dem Hintergrund von Siebenwind auseinandergesetzt habt. Das Lesen des Nortravenhintergrundes ist dazu dringend zu empfehlen.
In der Geschichte müssen hintergrundrelevante Dinge aufgeführt werden, sowohl aus dem Siebenwind-, als auch aus dem Nortravenhintergrund. Als Beispiele:
- Die üblichen Bezeichnungen der Jahreszahlen.
- Wer ist König, wer ist Hetmann?
- Die Namen der nortravischen Götter.
- Erwähnung von Städten und Landstrichen (hierbei gilt, dass man gern eigene Städte erfinden kann, aber dennoch sollten wichtige Städte der Nortraven in der Geschichte Erwähnung finden).
Ihr kommt auf Siebenwind als totaler Anfänger mit Höchstskill 10 an. Es ist daher unlogisch, wenn ihr in eurer Geschichte schreibt, dass ihr schon massenweise getötet oder Kämpfe gewonnen habt. Am Anfang ist man noch nicht einmal in der Lage, einen Wolf ohne größere Probleme zu erledigen. Auch Handwerker sollten sich das zu Herzen nehmen. Mit einem Skill von 10 kann man noch keine feinen Kleider schneidern oder die besten Waffen schmieden. Allgemein sollte gelten, dass ihr auf Siebenwind als Neuling ankommt – verhaltet euch auch dementsprechend.
Achtet bei eurer Beschreibung des Norlandes und der Nortraven auf den gegebenen Hintergrund. Das Norland ist recht unfruchtbar und lediglich im Süden ist der Ackerbau und die Viehzucht einigermaßen möglich. Der Norden ist karg und weitgehend von Schneelandschaften geprägt. Hier lebt man hauptsächlich vom Fischfang oder der Jagd von Tieren.
Die Nortraven sind im Allgemeinen sehr gemeinschaftlich und es gibt bei ihnen kaum einen Unterschied zwischen Arm und Reich. Sie teilen untereinander sehr viel und tauschen eher Waren als Dukaten aus. Geld hat hier nicht den gleichen Stellenwert wie bei den Zwergen oder Galadoniern, aber es ist ihnen auch nicht fremd, da sie es doch für den Handel mit anderen Völkern benötigen.
Allerdings gilt vorrangig die Regel: Ich mache etwas für dich und du machst etwas für mich.
Zwielichte Gesellen, Wegelagerer und Diebe findet man kaum im Norland. Zu sehr glauben die Nortraven an ihre Götter, als dass sie sich so etwas auch nur vorstellen können. Sollte ein Nortrave doch diesen Weg einschlagen, bedarf es schon einer sehr guten Begründung, da es eben mehr als ungewöhnlich ist. Piraten fallen hier ein wenig heraus, da diese wegen ihres Kampfgeschickes (besonders gegen Nicht-Nortraven) geachtet werden.
Geschichten, in denen die Eltern von unbekannten Reitern oder Vereinigungen umgebracht werden, werden nicht akzeptiert. Ebenso sind Angamonanhänger im Norland nicht wirklich vertreten um irgendwelche Eltern abzuschlachten. Geschichten, in denen mal wieder die Eltern getötet werden, werden nur akzeptiert, wenn es zum einen mit dem Hintergrund vereinbar ist und zum anderen auch nicht nur in einem Satz abgehandelt wurde. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Eltern im Barbarenkrieg gefallen sind. Hier sollte dann die etwaige Zeitangabe, wann der Krieg stattfand, in welcher Gegend es war und welche bekannten Personen daran teilnahmen, nicht fehlen.
Ausnahmechars werden freigeschalten, allerdings nur mit einer einwandfreien Geschichte. Ein unehrenhafter Nortravenchar muss in seiner Vorgeschichte begründen, warum das so ist, ebenso ein gottloser Nortrave, ein magiemögender Nortrave, ein fernwaffenbenutzender Nortrave oder ein diebischer Nortrave. Das alles muss in mehr als zwei Sätzen begründet werden.
In der Geschichte muss aufgeführt werden, wie euer Char von Siebenwind erfährt und warum er sich letztendlich dazu entscheidet nach Siebenwind zu reisen. Auf Siebenwind selbst ist niemand geboren oder wohnt schon länger dort als 12 n. Hilgorad. Lasst eure Geschichte am besten dort enden, wo euer Schiff im entsprechenden Hafen Siebenwinds einläuft.
Das Leben auf Siebenwind. Hier kann man getrost zwischen den traditionellen Nortraven und denen, die für neue Dinge offen sind, unterscheiden. Den traditionellen Nortraven wird es zu einer bestehenden Dorfgemeinschaft hinziehen, wo er unter seinesgleichen nach den alten Sitten leben wird. Den selteneren, weltoffenen Nortraven hingegen kann sein Interesse für fremde Kulturen und Lebensweisen jedoch auch in Gebiete jenseits des Dorfes verschlagen, wobei der Spieler aber der nortravischen Herkunft des Charakters Rechnung tragen und – unter Umständen – dadurch auch Nachteile in Kauf nehmen muss.