Der Ursprung Angamons
So lasst mich etwas ausholen, damit ihr die Geschichte in seiner Gänze und Tragweite versteht:
Es war zu Beginn des zweiten Zeitalters, als etwas geschah, was hätte nie geschehen dürfen. Die zarte und zerbrechliche Vitama und der ach so stolze, raue und so männlich maskuline Bellum entdeckten Gefühle zueinander, die das überstiegen, was man als Geschwister füreinander empfinden dürfte und sollte. So trug es sich in einer unsäglichen Nacht zu, was sich noch heute wie eine Geißel über Tare legt. Vitama und Bellum in Liebe und Einigkeit vereint – und es sollte nicht lange dauern, dass Vitama schwanger wurde, schwanger von Bellum, ihrem Bruder. Keine der anderen Götter und Elementarherren wollten davon etwas wissen, sie sahen weg und versuchten zu vergessen. Aber das kleine Leben in Vitama wuchs und wuchs. Nach einer für uns als halbe Ewigkeit erscheinenden Zeit, gebar Vitama ihren ungeliebten Sohn. Ein Kind, das es hätte nie geben dürfen. Kaum beachtet und von wenig Liebe umgeben wurde Angamon groß, denn so sollte er heißen, der Göttersohn. Er war noch jung und nicht verdorben, jedoch ohne Gefühl, da es ihm an Geborgenheit fehlte, als er unbemerkt einer Ratssitzung beiwohnte, wo das Gespräch auf ihn selbst fiel. Er erfuhr, wer sein Vater war und für was die anderen ihn alle hielten – einen Bastard.
Schreiend und erzürnt rannte er aus dem Saal. Noch heute sollen die Worte „Ich hasse euch alle, ihr werdet den Tag, als ich erzeugt wurde, noch mehr hassen, als ihr jemals gedacht haben werdet“ nachschallen. Weiter und weiter rannte er – selbst die Götter und Elementarherren sollten ihn in den großen Weiten der zweiten Sphäre nicht mehr finden. Nun, vielleicht war es ihnen auch ganz recht und so wandten sie sich dem zu, wofür das zweite Zeitalter bekannt ist: die Schaffung der Völker Tares. Kein Gedanke wurde mehr an Angamon verschwendet, vielleicht sei er gestorben, das wäre den Göttlichen wohl das liebste gewesen. Zumindest sahen sie den „Frevel“ nicht mehr. Vitama aber litt doch sehr, so sollte sie auch in den Menschen ihre neuen Kinder finden.
Angamon aber ging nicht in den Weiten der zweiten Sphäre unter. Nein, er suchte sich einen finsteren und weit abgelegenen Ort, an dem er lange über sein Schicksal bangte, in ihm jedoch der Hass auf seine Eltern und den Rest der Götter, sodass er irgendwann wusste, wofür er zu leben habe. Er war seit diesem Tage von nichts anderem mehr als dem Hass auf jene beseelt, die ihm sein Leben und alles andere angetan hatten. Der Göttersohn lernte schnell selbst, seine göttlichen Kräfte im negativen Sinne zu nutzen. Angamon erschuf die ersten Dämonen; ein kleiner Teil der zweiten Sphäre verdüsterte sich und wurde zu seinem Reich. Als die Götter und Elementarherren dies sahen, waren sie nicht so weise zu begreifen, was sich dort in aller Abgeschiedenheit entwickeln würde. Die Zeit verging somit und ein Volk nach dem anderen wurde auf Tare geboren. Die Götter widmeten sich ihnen und investierten viel ihrer eigenen Kraft in diese, so wie der Glaube der Völker an die Götter ihnen auch Kraft zurückgab.
Die Mondamulette
Doch Angamon kam auf eine teuflische Idee, die noch viel Schlechtes mit sich bringen sollte. Der Gedanke an das, was wäre, wenn er all die Macht erhalten würde, welche die Götter den Völkern spendeten, und gleichzeitig die Kraft abfangen würde, welche die Völker durch ihren Glauben an die Götter aussendeten. Es war eine famose Rache. Er würde mehr Macht erhalten, als alle Götter zusammen. Er wäre und würde die Allmacht in Person sein. Selbst Tare würde ihm wenig entgegenzusetzen haben. Er würde durch diese kleinen armseligen Kreaturen, die Menschen, Zwerge und Elfen, eben ihre Erschaffer vernichten können. Danach könnte er sich dank der Glaubenskraft der Völker aufmachen, auch den Drachen Tare zu vernichten und somit alles Leben auszulöschen, welches je auf Tare gelebt hatte – auch die Elementarherren. Nur er wäre dank der vielen Kraft in der Lage, nun in der tristen Dunkelheit ewig zu leben. Wie aber sollte er etwas Bindendes finden, das ihm die ganze Energie verleihen würde? Lange machte sich Angamon Gedanken. So kam ihm die Zeit des Beginns auf Tare in den Sinn. Ganz Tare war aus einem Stein der Macht entstanden. Genau das wäre es, was die Energie binden könnte – eben der Anfang von allem. Aus diesem Grund machte er sich mit leisen Füßen auf, Tare heimzusuchen. Er schlich auf leisen Sohlen, so dass er nicht bemerkt wurde und hieb mit einem einzigen Meißelstoß einen Teil des Steines der Macht ab. Tare erwachte und fauchte, als hätte sie selbst der Schlag verletzt. Angamon aber war dank seiner Helfer und seiner schwarzen Magie schon längst wieder verschwunden. Nun lag dieses Stück Stein vor ihm, es glimmte schwach, so wie der kleine unbeseelte Mond Tares. Tag und Nacht arbeitete Angamon nun. Als sein Werk beendet war, hatte er zehn Amulette gefertigt, ein jedes sah aus wie ein kleiner Diskus und hatte noch immer ein Leuchten in sich. Wie kleine Monde sahen sie von weitem aus und so werden sie noch heute die Mondamulette genannt.
Jedem der großen drei Völker widmete er jeweils drei der Amulette, welche zudem besondere Fähigkeiten verliehen. Die drei der Zwerge förderten die besonderen zwergischen Talente, die von den Menschen die menschlichen und ebenso bei den Elfen. Verführerisch sollten sie sein und doch verhängnisvoll. So sollte sich ein jeder Träger langsam wandeln und zu Angamons willenlosen Amulettträgern werden, falls sie den Kräften der Amulette nicht entsagen könnten und sich frühzeitig von diesen lösten. Diese Träger, neun somit insgesamt, sollten dann getrennt oder auch gemeinsam eine Gemeinschaft um sich scharen. Diese werdenden Amulettträger, sie sollten dann die Verbindung zu den einzelnen Völkern, die Verbindung zu der Kraft der Glaubenden und zu den Göttern, sein, aufdass er die Macht auf sich vereinen könne. Nun wir sagten, es würde zehn Mondamulette geben und dies ist auch richtig so. Das letzte Amulett sollte Angamons Verbindung zu den anderen Amuletten werden, das Bindende. Es hatte keine besonderen Fähigkeiten, ließ den Träger aber in einer ganz besonderen Aura erscheinen, so wie es an sich ein jedes der Amulette tat. Nur dieses eine, es war besonders drückend und finster und doch zugleich hell und blendend.
Die Amulettkriege
Nach gemachter Arbeit sandte Angamon seine Boten aus, welche die Mondamulette auf Tare verteilen sollten. Schnell fanden sich Menschen und Zwerge, die diese mit Stolz trugen und durch deren Kraft auch zu ganz besonderen Personen ihrer Zeit wurden. Sie waren einfach „besser“ als die anderen. Zu sehr genossen sie dieses „besser“ zu sein und bemerkten gar nicht, wie sie sich langsam veränderten und immer mehr dem hörig wurden, von dem sie noch nie gehört hatten – Angamon. So freute sich dieser auch darüber und sah seine Zeit bald gekommen, wenn da doch nicht nur diese Elfen gewesen wären, die zwar bei Zeiten die Amulette trugen, aber zu schnell das erkannten, was von ihnen ausging – das Böse. Wenn es eine besonders schlimme Zeit für die Elfen gab, so war es die Zeit des großen Elfenkonfliktes. Heute ist man sich sicher, dass Angamon diese Zwietracht säte, um aus dieser heraus auch Elfen zu finden, die die Amulette tragen und sich so zu Amulettträgern wandeln sollten. Jeder der Träger für sich versuchte nun Anhänger zu finden und diese zu mehren. Ihnen fiel es auch leicht, da die Achtung jedem gegenüber aufgrund der durch die Amulette erlangten Talente hoch war, und sie dadurch sogar Herrscher über Länder waren. Es konnte nicht lange dauern, so braute sich langsam das zusammen, über das auch viele Jahrhunderte später ein jeder nur Albträume bekommen könnte. Aus Angamons Sicht lief alles wie geplant. Seine Amulettträger waren bereit und hatten viele Anhänger um sich gescharrt, die seinen Ruhm mehren würden.
Es war der Beginn des dritten Zeitalters als Angamon mit seinen dämonischen Heerscharen über das Land herfiel. Es wurde gemordet um der Lust willen, Landstriche wurden verwüstet. Ohne Unterlass zogen die Amulettträger mit ihren Anhängern immer dichter zusammen, um sich an einem bestimmten Ort, der sich nach der Stellung der Sterne und Monde richtete, mit Angamon und dessen bindenden Amulett zu vereinen. Ehe die Götter und Elementarherren begriffen, was eigentlich geschah, hatte Angamon ohne größere Gegenwehr sein Ziel erreicht. Er vereinigte die Kräfte in seiner Person. Die Amulette waren so stark, dass sie die Kraft des Lichtes aufsogen und ganz Tare in tiefe Nacht viel. Die Götter waren wie erschlagen, unfähig etwas zu tun, denn ihre Macht wurde Stunde um Stunde geringer, so wie die Dunkelheit auch das letzte Licht auf Tare verschlang. Angamon fühlte die Macht in sich. Er konnte sehen, wie er das mächtigste Wesen dieser Welt, wenn nicht gar des gesamten Universums werden würde, gleichauf mit den Gohor. Er, der Göttersohn, allmächtiger Herrscher über Himmel und Erde. Markerschütternd lag sein Lachen über den Weiten Falandriens.
Eines hatte er jedoch außer Acht gelassen: zwar wurde auch die Macht der Elementarherren geringer, aber diese erhielten ihre Kraft aus ihren Elementen selbst, sodass sie sich ihm entgegenstellen konnten. Es entbrannte ein Kampf der Götter auf Tare, wie er nicht hätte schlimmer sein können: verbrannte Landstriche, tot und vergangen; Dämonenheere gegen die Wächter des Lichtes und des Guten; zu groß war die in den Amuletten geeinte Macht Angamons. Alle Hoffnungen wären erstorben, wenn da nicht ein Kind gewesen wäre. Die meisten Menschen und Zwerge verfielen in eine Lethargie, da ihnen ohne die Götter einfach nichts mehr so gelingen wollte, wie sie es normal gewohnt waren. Der Schmied, er brach fast nur noch Waffen; das Brot des Bäckers wurde wie Stein; aber dieser kleine Junge, er verspürte davon nichts. So von sich überzeugt, die vollkommene Macht zu haben, ließ Angamon diesen Jungen vor sich herwuseln. Er fand es belustigend, wie der Junge über den Boden kroch, ja, sich sogar den Füßen des Allmächtigen näherte. Zu eitel und von seiner Macht überzeugt – der Junge aber berührte den dunklen Herrscher. Angamon soll in diesem Moment sein Lachen beendet haben und sich selbst in dem jungen, gejagten Kind gesehen zu haben. Voller Wut erhob er seine mächtige Pranke und tötete mit einem Aufschrei von Schmerz das kleine, wehrlose Kind. Heute sagen einige, Hilgorad wäre die Wiedergeburt dieses kleinen Jungen, der sein Leben opferte – doch wer mag dies schon ernsthaft bestätigen.
Nun war Angamon in diesem Moment stark abgelenkt. Seine Konzentration wich und so war es ihm nicht möglich, die Macht des bindenden Amuletts unter Kontrolle zu halten. Die Kraft schoss völlig unkontrolliert aus diesem hervor. War es schon über Wochen düster und gänzlich Nacht, so zuckten nun Lichtblitze und grelles Licht über das Land. Ganz Tare schien plötzlich von sich aus zu leuchten, viele wurden geblendet. Es folgten wieder einige Momente tiefste Nacht, dann erneut Blitze, das Leuchten der ungebundenen Kraft. Angamon sollte es nicht mehr gelingen, die Kontrolle über das bindende Amulett wiederzuerlangen, zu mächtig war es, selbst zu mächtig für einen Dämonenkönig. Erbost schleuderte er das Amulett zu Boden und soll ausgerufen haben: „Deine Macht brauche ich nicht, ich werde Tare auch ohne dich bezwingen!“ Nun hatten die Elementarherren eine Chance, Angamon zu besiegen und so taten sie es auch.
Geister der Zeit
Innerhalb kurzer Zeit ging die Kraft wieder seinen normalen Weg. Die plötzlich zerfallende Energie wurde den neun Trägern der Amulette zum Verhängnis, denn Angamon zehrte weiter an ihrer Kraft, um doch nicht alles davon zu verlieren. Er zog aus ihnen alles Lebendige und so blieben nur ihre Geister zurück. Die Amulettgeister, Angamons mächtigste und treueste Verbündete, waren „geboren“. Noch heute spekulieren wir, ob ihr Tun ein Zwang oder aus freiem Willen ist, denn noch mehr als wir wissen sie, wie Angamon das Dunkle über sie und Tare gebracht hat. Tag für Tag erlangten die Götter ihre Macht zurück. Auch der Glaube der Völker an die Götter wurde wieder stark, denn viel mehr als die Hoffnung blieb ihnen in dieser Situation auch nicht. Noch versuchte Angamon, sich mit seinen Dämonenscharen der immer größer werdenden Gegenwehr zu widersetzen. Aber den Elementarherren, den wiederkehrenden Göttern und der geeinten Kraft der Völker hatte er nichts mehr entgegenzusetzen. Schnell machte er sich mit seinen Geschöpfen auf, die erste Sphäre zu verlassen, um zurück nach Manhor zu kehren, sein dunkles Land in der zweiten Sphäre, wo er sich eine uneinnehmbare Festung geschaffen haben soll, in die er sich zurückzog. Das bindende Amulett blieb mit den anderen Amuletten auf Tare zurück; zu groß war die Eile des Göttersohns in seine Festung zu flüchten.
Es begann die Zeit des Neuaufbaus, weite Teile Falandriens waren zerstört, aber doch gaben die nun in Freundschaft geeinten Völker nicht auf, alles wieder aufzubauen, wie es einst war. Bevor sie dieses jedoch taten, trieben sie die wenigen Überlebenden der Anhängerschaft der Amulettträger in das eisige Nordmeer – nie wieder waren sie gesehen. Die „siegreichen“ Götter und die Herren der Elemente schauten jedoch auf Tare hernieder und sahen die zehn Mondamulette. Amulette voller Kraft und Schönheit und doch den Tod in sich tragend. Da sie aus dem Stein der Macht gemacht waren, konnten sie diese nicht zerstören oder von Tare fortbringen, da sie ein ewiger Teil Tares sein würden – so wie der Stein der Macht selbst. Ihnen war jedoch gewiss, dass nie wieder das passieren dürfte, was in den letzten Tagen, Wochen und Monaten geschehen war. So nahm sich ein jeder ein Amulett und versteckte es so gut wie er konnte auf Tare. Es soll auch Tare selbst eines der Amulette zu sich genommen haben. Somit hatten sie jetzt neun Amulette für die Ewigkeit versteckt. Nur das eine, das Bindende, blieb zurück. Um es unmöglich zu machen, dass es sich jemals wieder mit den anderen einen könne, hauchten sie diesem Leben ein. Es sollte von nun an seinen „Meister“ suchen und diesem nur für eine ungewisse Zeit dienen, bis es weiter wandern würde, um sich einen neuen Träger zu suchen. Es schien den Göttlichkeiten der sicherste Weg zu sein, eine erneute Einigung der zehn Amulette zu verhindern.
Viel Zeit ist seitdem vergangen. Aber heute wird immer gewisser, dass diese Zeit wiederkehren könnte. Die Amulettgeister wurden gesichtet, andere starke Mächte auf Tare wollen selbst für sich die Amulette einen. Nicht zuletzt schien die Großzahl der noch so gut verstecken Amulette doch wieder entdeckt zu sein. Niemanden ist klar, wie viele ein einzelner schon besitzt – und den Mut dies vom König Galadons selbst zu erfragen, den hat wahrlich niemand. Eines wird man jedoch nie mehr vergessen können: Er könnte es sein, das wiedergeborene kleine Kind, das damals vor so vielen Jahrhunderten das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse zum schwanken brachte. So sagt man, dass seine Weissagung beschreibt, wie er Tare mit der geeinten Kraft der Völker retten kann, so wie es vor lange Zeit der kleine Junge tat.