Dies ist eine Geschichte geschrieben von unicrack.
Band I – Der Genuss Band II – Der Traum Gedanken | Band III – Die Armee Gedanken
Viel Spaß beim Lesen der staubigen, alten Bücher…
Ich möchte darauf hinweisen, dass die Texte unter Umständen nichts für schwache Nerven oder empfindliche Mägen sind.
Band I – Der Genuss
Es war ein sonniger, heißer Tag gewesen und noch immer sandte Fela ihre nun letzten Strahlen auf Tare hinab. Der warme Wind trug den Staub durch die verlassenen Gassen, die meisten Menschen waren den Tag über in ihren kühlen Häusern geblieben, genoßen den Tag im Schatten unter den Bäumen in ihrem Garten oder sonnten sich auf einer Lichtung.
Alle bis auf einen. Ein junger Mann mit kurz geschorenen, blonden Haaren und einer leicht verbissenen Mine. Er war der Inbegriff eines Mannsbildes und für jede Frau
auf Siebenwind eine wahre Augenweide, so muskulös, so … groß.
Doch dieser junge Mann hatte keine Augen für das weibliche Geschlecht. Seine einfache Gewandung mit dem simplen, aufgestickten Schwert wies jedem offensichtlich seine einzige Liebe zu- der Liebe zu Bellum.
Den jungen Novizen hegte dennoch Gram. Ein Gram, der durch die Gespräche mit seinem Schwertvater nicht gemildert wurde; im Gegenteil- er steigerte sich nur jedesmal, wenn sie über seine Nöte und Probleme sprachen.
„Weltliche Probleme, die nichts mit seinem starken Glauben zu Bellum zu zu haben“, wie sein Schwertvater stets betonte. Dennoch fuchste es ihn; seit mehr als drei
Jahren war er nun schon ein schäbiger Novize im Ordensgeflecht des Bellum. Anscheinend war er nicht würdig genug, anscheinend vertraute man ihm und seinen
Fähigkeiten nicht- und so zahlt man es ihm nun heim. Man ließ ihn darben in seinem Leid, in seinem Elend, dass alle stets nur abwiegelten.
Doch nun wollte er es ihnen zeigen. In einer schäbigen Kneipe hatte er einen Mann beobachtet, hatte ihn belauscht und er kam zu dem Entschluss, dass dieser Mann böse sein musste. Wie er sich gekleidet hatte, wie er leise zischend sprach, wie er hin und wieder mit ebenso zwielichten Gestalten tuschelte und ihnen kleine,
klimpernde Beutel zuschob.
Felix Goldschein hatte beschloßen diesen Mann zu verfolgen und im Auge zu behalten. Schon lange gab es Gerüchte darüber, dass ein Schwarzmagier in dieser Stadt hauste, sein Unwesen trieb.
Dafür sprachen die seltsamen Tode an Obdachlosen, die sich häufenden Krankheiten und seit einiger Zeit auch die merkwürdig verwirrten Personen, die morgens, kauernd
in den Gossen der Stadt, aufgefunden wurden.
So geschah es, dass der mutige Felix dem Mann folgte, als Fela grade ihre letzten Strahlen auf die Stadt warf…
Und so geschah es, seiner Ausbildung sei Dank, dass der mutige junge Mann sah, wie der schäbig gekleidete Mann in einem Zugang zur Kanalisation verschwandt.
Felix überlegte einen Moment, dann eilte er hinter diesem wirklich sehr merkwürdigen Mann her und betrat nach einiger Anstrengung ebenfalls die Kanalisation.
Hier war es dunkel und ob der Hitze wohl noch stickiger, noch muffiger als sonst.
Übelkeit schlug ihm entgegen, doch er hatte keine Zeit, denn grade sah er noch, wie ein Schemen um eine Ecke bog. Eilig huschte er, bemüht keine Geräusche zu machen,
hinter diesem offensichtlich mysteriösen Mann her, gewillt ihn zu stellen, gewillt Antworten zu fordern und mit einem so starken inneren Willen beseelt durch die Gefangenname des selben endlich… ja, er würde endlich zum Geweihten ernannt werden, wenn er, durch Bellum geküsst, den Scheiterhaufen entfachte.
Ein Anflug von wohligem Fanatismus beseelte den mutigen, gut aussehenden Felix, während seine Hand zum Schwertknauf geglitten war und sich seine Augen an die
drückende Dunkelheit gewöhnt hatten.
Es war unglaublich, wieviel Glück er hatte, denn scheinbar hatte ihn der Mann nicht bemerkt. Er war nun durch einen weiteren Gang gehuscht und in einer Ecke stehen geblieben. Der Mann tastete über die Mauer… und Felix blieb der Atem stehen.
Dünne, matt-silbrig leuchtende Linien floßen aus den Fingerspitzen des Mannes und verteilten sich über die gemauerten Fugen der nassen, schmutzigen Wand.
Felix schluckte. Mit einem Geräusch, dass dem Brechen von Knochen sehr ähnlich war, glitten ein paar Mauersteine auseinander und formten einen mannshohen Durchgang, wie… ja, wie durch Zauberhand.
Felix raffte sich noch einmal zusammen, entschlossen das, was er sich vorgenommen hatte, jetzt und hier zu beginnen. Mit kräftigen Schritten ging er voran. Seltsam
war nur, dass die Tür sich nach dem Eintreten des Magus nicht sofort wieder geschlossen hatte, nein. Dahinter drang kläglicher, flackernder Schein von Fackeln auf den
algenbewachsenen Grund, wo sich Felix Tritte auf dem sandig-schlammigen Grund abgedrückt hatten.
Dennoch trat Felix durch den Durchgang, spähte nach links und rechts und mit einem donnerten Knall schloß sich die Mauer hinter ihm. Felix erschrack. Dort, wo er eben
hindurch geschlüpft war, befand sich nun wieder solides, wenn gleich auch schmutziges Mauergestein. Felix drückte sich dagegen, Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet.
Doch alles Drücken, seine ganze Kraft nützte nichts- die Mauer gab keinen Zoll nach.
Felix atmete tief durch. Nun gut, dann würde er diesen… diesen Ketzer eben mit dem Schwert an der Kehle zwingen, diesen verfluchten Ort gemeinsam mit ihm wieder zu verlassen.
Der junge Novize war sich seiner Sache sehr sicher und so Schritt er festen Mutes, ja festen Glaubens voran, leise eine Liturgie zum Lobpreis Bellums murmelnd.
„… und so sei mir Gnädig.“, endete die schwarzberobte Gestalt die Liturgie. Sie hatte sich über einen Tisch gebeugt hatte. Felix erstarrte. Langsam, ganz langsam drehte sich der Mann, der auf einen Stab gestützt war, zu Felix herum. Seine Mine zeigte ein bleckendes Lächeln und entblößte gelbe, spitze Zähne. Felix drehte sich der Magen um. Zu seinem Entsetzen war der Stab aus Knochen gemacht, in seiner Mitte war etwas pulsierendes, dass Felix nicht genau erkennen konnte. Verstohlen sah er sich um. Überall im Raum waren seltsame Dinge aufgehängt oder auf schäbige, modrige Regale gestellt. In Gläsern wabberten von Pein weit aufgerissene Augen, unterschiedlich große, farbige Gehirne und noch allerlei mehr obskure Dinge. Felix wollte sich herum wenden, er wollte sein Schwert ziehen, wollte sich auf den
vergnügt dreinblickenden Mann, dem die schon ergrauten Haare wirr abstanden, dessen Gesicht von irgendetwas zerfressen worden war, stürtzen und ihn in Stücke reißen.
Doch es gelang ihm nicht. Irgendetwas verhinderte, dass er sich bewegte.
Wieder hatte er das Gefühl, als müsse er sich übergeben, als der widerwärtige Mann sich ihm näherte. Der Gestank dieser Gestalt war atemberaubend widerwärtig.
Dann spürte Felix, wie etwas seinen Leib durchfuhr- und ihm wurde schwarz vor Augen.
Der junge, hübsche Novize hatte jedes Gefühl für die veronnene Zeit verloren. Ihm frohr. Er sah aus den Augenwinkeln an sich herab, denn als er versucht hatte
sich zu bewegen spürte er viele dünne Stricke, die ihn an mehreren Stellen seines Körpers fesselten. Er war nackt.
Der Schwarzmagier stand neben ihm, immernoch grinsend. In der Hand hielt er nicht mehr den seltsamen, knochenartigen Stab, sondern eine dünne, hohe, schwarz-schimmernde Kerze.
„Nun“, der Mann seuftzte tief „mein junger, mutiger Mann. Wie ist dein Name?“. Er sprach mit einer Ruhe und einer Gütigkeit, die Felix erschreckte. Er biss die Zähne zusammen. Diesem Mann würde er nichts sagen. Ein trauriger Blick wischte das Grinsen aus dem zerfressenen Gesicht des Magus. Langsam, ganz langsam senkte er die hohe Kerze. Das flüssige, heiße Wachs wabberte
bedrohlich an deren Rand, drohte über zu kippen. „Felix“, presste der junge Novize hervor- doch fast im gleichen Moment tropfte schon die heiße Flüssigkeit auf seinen
nackten Bauch. Felix zischte, kneifte die Augen zusammen.
„Was wolltest du hier, Felix?“, fragte der Magier wieder mit der ruhigen, ja fast großväterlichen Art, die Felix eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ, die nichts
mit seiner Nacktheit zu tun hatte. Er war in den Händen eines Wahnsinnigen.
Beflissentlich murmelte Felix neue Worte einer ihm bekannten Litanei, die ihn von innen heraus zu wärmen schien und ihn mit neuem Mut füllte. Er bäumte sich gegen
die Fesseln auf. „Aber aber Felix, was soll denn das? Hast du denn meine Frage nicht verstanden?“.
Neuerlich neigte er die Kerze zur Seite, bis sich ein großer Tropfen flüssigen Wachses auf Felix muskulösen Bauch ergoß und dort eine kleine, sinnfreie Form bildete.
„Meine Frage Felix. Wieso bist du hier?“. Felix Körper bebte, teils aus Zorn, teils von der nagenden Kälte. „Ich… Ich wollte Euch“, er machte eine Pause, schluckte, schloß
für einen Moment die Augen. „Werdet Ihr mich töten?“, schloß er dann. Zu seinem Erstaunen wurde der Mann nicht wütent. Er goß auch nicht mehr von dem schwarzen Wachs auf seinen Leib. Nein. Er gluckste. Heiser war dieser abscheuliche Laut- er widerte Felix an.
„Oh nein, mein lieber Felix, ich werde dich nicht töten, weißt du?!“ und da erschien wieder das vergnügte, gütige Grinsen auf der Fratze des Mannes. „Es gibt viel mehr Dinge zwischen Leben und Tod, als die meisten Menschen glauben. Du fragst dich sicher, lieber Felix, ob ich dich auch wieder laufen lassen, nichtwahr?“. Felix erwiderte nichts und starrte den Mann an, wie jener, gebückt und doch unwahrscheinlich groß, so zu ihm hinab sah. „Ich werde dich gehen lassen, geblendeter Novize.“
In dem jungen Mann keimte ein trügerischer Hoffnungsschimmer auf. „Ich werde dir sogar ein Lehrer sein. Ich werde dir überdies zeigen, was es alles zwischen Himmel und Erde gibt.“ Er hatte nun seine Hand über Felix‘ Schritt, sein Atem beschleunigte sich, die Augen in Panik geweitet. „Herr!“, rief er, als der Magus anstallten machte seine Hand herab zu senken, „Herr! Ich… Ich wollte… Ich werde einfach gehen, ja? Ich werde niemandem sagen, dass Ihr hier unten … ähm, haust! Ich werde bestimmt nichts sagen!“. Die Worte des panischen Jungen vermischten sich mit einem neuerlichen Glucksen des
Schwarzberobten. „Oh, das wirst du gewiss nicht, junger Felix“, antwortete der Mann vergnügt- und goß einen großen Schwall Wachses in Felix‘ Schritt. Jener brüllte in
Pein. „Ohja“, sprach der Magus schnell „ohja, fühlst du den Schmerz?“, er machte eine kunstvolle Pause, „ich habe eine Frage gestellt, nichtwahr?“. Felix hatte es die Tränen
in die Augen getrieben, sein Schritt schmerzte fürchterlich. Die Tränen rannen ihm nun die Wangen hinab und tropften auf seine Lagerstatt- eine hölzerne Streckbank.
„Ich, ich bin Novize des Herren Bellums! Ich… wollte Euch gefangenen nehmen.“, schloss Felix resigniert, die Augen zusammengekniffen, eine neuerliche Welle des
Schmerzes erwartend. Doch er blieb aus.
„Wieso wolltest du mich gefangen nehmen, Felix?“, sprach der Alte nun mit einem großväterlich-tadelnden Tonfall, „Habe ich dir denn etwas … getan?“. Felix brachte nur ein gedrungenes, schüchternes „Nein“ hervor. „Wieso wolltest du mich also gefangenen nehmen Felix?“. Felix schien das alles unwirklich surreal; als ob dieser alte, geistesgestörte Mensch das nicht wüsste. Er beißte die Zähne zusammen und funkelte ihn böse an. Die Kerzenhand war nun über seinem Hals, senkte sich langsam, doch unaufhaltsam- und ergoß schließlich einen weiteren Schwall heißen Wachses auf seinen Leib.
Drei Tage später…
Felix war immernoch auf sein Gestell gefesselt. Seine Haut war wund gelegen. Felix‘
Körper schmerzte an jeder Stelle. Er fühlte sich schrecklich schmutzig, fühlte sich hilflos und allein- unendlich allein.
Sein ehemaliges Opfer war immer wieder verschwunden. Für wie lange, konnte Felix nicht sagen. Er hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Jeden Tag musste er neue
„Lehrungen“ ertragen. Sein Meister kam und traktierte ihn- und darin schien er wirklich gut. Mal bohrte er dünne, feine Nadeln unter seine Nägel, mal ließ er einfach viele kleine Kerzen auf seinem Körper brennen, während er irgendwelche Besorgungen zu machen schien. Der Schmerz trieb Felix jedesmal in den Wahnsinnn.
Doch das sollte heute ein Ende haben. Felix hatte noch sich noch einmal zusammen
gerafft, seinen Mut gesammelt. Er horchte, lauschte gespannt- Stille. Er schabte seine wunden Gelenke an dem Holz, versuchte in qualvollen Minuten seine Fesseln auf zu
scheuern. Zunächst hatte es den Anschein, als würde es nichts nützen, als wären seine Mühen vergebens, als würde jeden Moment der Magus zurück kommen und ihn aufs Neue peinigen. Doch da geschah es. Ratsch. Die Schnüre an seinen Handgelenken gaben mit einem leisen, zerreissenden Laut nach. Eine Weile konnte Felix nichts anderes tun, als zu weinen. Er weinte vor Glück, dass es ihm gelungen war, sich von seinen Fesseln zu lösen, er schickte dabei einige Stoßgebete an seinen Herren Bellum, der ihn scheinbar doch nicht verlassen hatte.
Felix würde sich rächen. Fürchterlich würde er sich rächen. Wankend stand er auf, taumelte an den Tisch, wo ein Dolch lag. Er griff jenen und versteckte sich hinter
der Tür. Es verging wohl eine, vielleicht zwei Stunden. Felix kauerte voller Anspannung hinter der hölzernen Verschlagstür, als sie aufsprang. Der in schäbige Kleidung
gehüllte Mann trat ein, warf einen kleinen Beutel auf den Tisch- und erstarrte.
In seinem Rücken steckte ein kleines, dünnes Messer. Felix lachte wahnsinnig, als ein lauter Knall ihn in eine Ecke des Raumes warf. Sterne tanzten vor seinen Augen, doch so
verschwommen seine Sicht auch war, er konnte erkennen, wie sich der Mann das Messer aus dem Rücken zog und das Blut von der Klinge leckte, begleitet von verzückten Grinsen, während sich die Wunde an seinem Rücken langsam schloß.
zu späterer Stunde…
Felix lag wieder gefesselt auf der Streckbank. Sein ganzer Mut war aus ihm gewichen, wie aus einem aufgeplatzten Pansen- und so stank er auch.
Unterdessen tropfte beharrlich, im Abstand von etwa einer Minute, Wasser von einem, über seinem Kopf angebrachten Eimer. Sein Kopf war mit einem Lederriemen fixiert, sodass er sich nicht im Mindesten rühren konnte. Seine Augen waren durch zwei Klemmen weit aufgerissen- und so musste der mutige Felix stetig zwei gehäutete Kaninchen ansehen. Musste sehen, wie dicke Schmeißfliegen sich über das Fleisch her machten, wie sich irgendwann später, so glaubte Felix, das Fleisch zu bewegen schien, wie es hie und da aufplatzte und dicke, fette, weiße Maden aus dem Fleisch hervor krochen, sich wanden und, wenn sie den Halt verlohren, auf den Körper von Felix klatschten.
„Nun Felix. Ich sehe, dass du kein guter Schüler bist. Du lernst nicht sehr eifrig, bist störrisch und widerspenztig, jaja- ich muss dich tadeln.“, flötete der Alte in seiner großväterlich-tadelnden Stimme, die dennoch ruhig und besonnen schien.
Felix konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen, schon scheinbar eine Ewigkeit ist es her, seitdem das Wasser zum ersten Mal auf seinen Kopf tropfte. Felix öffnete seinen Mund zu einem stummen Wehklagen- und eine besonders fette Made fiel in seinen Mund.
Der junge Novize würgte, keuchte- doch schließlich entschloß er sich die Made herunter zu schlucken, zu lange hatte er nichts mehr gegessen.
zwei Tage später…
Felix wurde auf die staubige Gasse geworfen, die sich in der Nähe des Tempels befand.
Sein Blick war glasig und seine Mine ausdruckslos, als ihn das Grüppchen von gackernden Vitamigeweihten fand.
Sie liefen aufgeregt schreiend umher, riefen um Hilfe- doch das alles nahm der junge Novize gar nicht wirklich wahr. Er kauerte nackt auf dem staubigen Pflaster, seine geröteten Augen waren wässrig und seltsam trübe. Der junge Mann war gar nicht mehr schön, hatte nichts mehr von dem mutigen, muskelgestählten Schönling…
… Felix Goldschein war in den vergangen Tagen doch noch ein guter Schüler geworden.
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Band II – Ein Traum
Er träumte nur noch sehr selten- oder zumindest konnte er sich nach dem Erwachen meist nicht mehr an die Träume erinnern.
Doch heute war wieder so ein Tag gewesen. Den ganzen Tag hatte er über Büchern gebrütet, gelesen und sich Notizen gemacht. Immer wieder war er über seine Arbeit eingenickt.
Doch als er nun das letzte Mal eingenickt war, hatte er sich eine Pfeife mit seinem Lieblingskraut genehmigt, wie er es schon lange nicht mehr getan hatte. Die Luft war nun geschwängert von bläulichen Nebelschaden, die süßlich im Raum umherwabberten…
Er sah sich, wie er auf einem dunklen, schwarzen Steintisch stand. Damals hatte er noch volles, langes Haar und einen kräftigen Körper. Der Herr hatte noch nicht einmal die erste Rate von dem erhalten, was er sich sodann in so kurzer Zeit mit unbarmherziger Macht nahm.
Alles hatte eben seinen Preis.
Er blickte an sich selbst herab, voller Scham, so nackt wie er war. Eine höhnische, weibliche Stimme bemerkte belustigt, dass er wenigstens nicht spärlich bestückt sei.
Welch Trost für einen jungen Mann, der bewegungsunfähig wie auf dem Präsentierteller aufgestellt, vor den damals mächtigsten magisch-begabten Personen dieser, schon zu der Zeit, verhassten Insel.
Was für Ziele verfolgt Ihr?, fragte der in wabbernde, sich bewegende Gewänder gehüllte Mann.
Es kam ihm damals nicht lächerlich vor, als er sagte, dass er von einer Armee träume, die unter seinem Kommando die Insel überrenne, die Tod und Verderben über die Menschen brachte und das Land jenseits des Walles in ein Land der Verdammnis wandeln würden. Damals hatten sie gelacht und das Weib hatte sein Genital mit Äpfeln beworfen, bis er wimmernd vor Schmerzen zusammen sank…
Poch, Poch, Poch. Es klopfe. Irgendwo. Er schrak hoch, wieder klopfte es ungeduldig, verlangend, begierig. Er erwachte auf einem harten, geschwärzten Stuhl.
Mühsam rappelte er sich hoch, wischte sich den Schweiß von der Glatze und schlurfte, noch halb benebelt zur Türe.
Ein Novize, dachte er ermattet und blaffte ihn an.
Tagesgeschäft, nichts weiter, nichts besonderes.
Doch während dieser Geschäftigkeit schweifte sein Gedanke immer wieder ab und glitt hinüber zu jenem Traum, den er hatte. Seltsam, dachte er. Wieso hatte ich ihn grade jetzt? Der Novize plapperte irgend etwas halbwahres, kaum vernünftiges, über etwas, dass er nicht einmal richtig aussprechen konnte; wieder glitten seine Gedanken ab.
Er hörte entfernt Metall klirren, hörte, wie sich das Wehklagen, dass beständig in seinen Ohren lag und das er eigentlich schon zu überhören gelernt hatte – gleichsam einem unaufhörlichen Piepsen in den Ohren – zu einem lauten Wimmern und Schreien erhob und sah, halb verschwommen, halb noch durch den Nachtschatten benebelt, wie sich eine Armee über den Wall ergoss…
Er lächelte zufrieden, als er den Novizen verabschiedete.
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Gedanken I
Vieles ist geschehen, vieles wird geschehen-
doch Trauer erfüllt meinen gebrechlichen Körper, stetig anschwellend, wie ein kleiner Tropfen das Wasserfass füllt.
Überall, wohin meine trüben Augen blicken, sehe ich Schande, sehe Verrat und Hohn gegenüber jenen, die sich mühen etwas zu vollbringen, etwas zu leisten und ein Ziel vor Augen haben…
Ich sehe den alten Toran Dur, der zurück gekehrt ist an seine Wurzeln, von den Massen geachtet, von seinen Schüler verehrt und von den Rittern hoch gelobt. Er hat vor Jahren einen Fehler gemacht, den er noch nicht gebüßt hat. Doch erfüllt Hass mein Gemüt, wenn ich zu ihm blicke?
Ich sehe Krieger, zwischen denen einst ein Band bestand, zäher als Blut und beständiger als die hohen Berge westlich der Sümpfe. Heute erheben sie ihre Klingen gegen mich, belegen mich mit Flüchen und begegnen mir mit Verachtung. Doch spüre ich Zorn in mir?
Ich sehe junge Magier, die das Land Angamons betreten als sei es das ihrige. Hochnäsig, dabei sind sie noch so unwissend und klein; lenken nicht die Geschicke der Insel- weder in magischer, noch in tareischer Hinsicht. Doch empfinden sie Stolz. Demut würde ihnen besser stehen.
Doch empfinde ich Spott und Abscheu?
Ich bekomme Briefe, lese sie und bin den Tränen nahe.
Der reich dekorierte Benion Sandelholz, er gilt als gutmütig und beherrscht, brauch keinen Pomp um den Glanz seiner Göttin in die Welt zu tragen- und doch ist er auf seine Weise bösartig. Bespuckt die, die ihm vielleicht eine helfende Hand sein könnten. Begegnet ihnen mit Misstrauen und Verachtung, ohne sie überhaupt zu kennen. Doch stoße ich ihn in den Abgrund?
Alljene behaupten von sich Gutes zu tun, ihren Mitmenschen oder Kameraden zu helfen, für ein gemeinsames Ziel, für eine geeinte Sache- und dennoch sind sie alle so gleich.
Hass wohnt in ihnen, Verachtung beseelt ihre Gemüter, wie mich die Traurigkeit bei der Betrachtung der Wesen, die auf Tare wandeln. Neid und Abscheu, Missgunst und Intriegenspiel und der immer währende Drang etwas besser, etwas mächtiger zu sein als der Andere.
Und in ihrer Torheit machen sie mich traurig darüber, lassen mich mein Schicksal schwerer ertragen. Und so ist es Traurigkeit, die mich erfüllt.
Ich frage mich, wo ist die Einigkeit? Wo ist die Genügsamkeit bei den Menschen geblieben? Wo, mein Gott, sind die Werte hin, die ich vor langer Zeit erleben durfte- dunkel erinnere ich mich an sie. Schemenhaft. Schattengleich. Und sie sagen mir, dass die Menschen nur zusammen halten, wenn sie spüren, dass ihr Ende nah ist.
Dass sie nur gemeinsam kämpfen und gemeinsam sterben, wenn es ihr eigenes, kleines und bescheidenes Leben tangiert.
Müde bin ich geworden, alt bin ich geworden. Klug wohl auch. Doch bin ich weise, mein Gott?
Ich denke, dass ich der Menschheit beweisen kann, dass sie nur die Einigkeit zum Ziel führen mag. Ich glaube, dass es Einigkeit nur dann geben kann, wenn sie alle beginnen zu begreifen, dass ihr Leben in Gefahr, ihre Existenz bedroht ist.
Ich will ein Exempel statuieren, zu prüfen, ob mich die Narrheit nicht eingeholt hat.
Und dann, wenn sie alle vor dem Nichts stehen, dann wird ihnen eine Hand gereicht werden. Kalt und dunkel wird sie erscheinen, doch unter der Kraft, die in einem starken Arm mündet, wird gewiss das Volk geeint werden.
So hoffe ich, denn im Moment, mein Herr, sehe ich dein dunkles Licht nicht.
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Band III – Die Armee
Vor einer Woche…
In schwarze Gewandung waren seine Herren hinzu getreten, verharrten still und stumm am Rand des Ritualortes und überwachten, wie die Geier, sein Tun.
Schon vor einigen Tagen hatte er den Ort gereinigt und alles für die Erweckung vorbereitet. Hatte einen Leib beschafft, der dem Gehörnten gefallen sollte.
Leise drangen seine beschwörenden Worte über den Ort, ein kalter Regen setzte ein, hüllte ihn in dunstigen Nebel, der so dicht wie eine Decke war, der sein Wispern in sich auf sog, wie ein Schwamm.
Und dann schob sich, rot blitzend, die Korona für ein paar Lidschläge durch den Nebel hindurch…
… und dann sah ich nur noch die Korona des Mondes, als sich der Gehörnte auf seinen Thron setzte und mit einem ohrenbetäubenden Schrei ein neues Zeitalter einläutete
Tage danach…
Endlich ist es soweit, zu lange hatte ich schon davon geträumt, zu lange hatte ich es hinaus gezögert.
Doch nun ist er erweckt, in einem starken Leib aus Stein. Niemand wird ihn aufhalten können, wenn er erst über die Heerscharen befiehlt.
Ich sehe brennende Häuser am Horizont,
ich höre weinende, wehklagende Laute.
Ich sehe, wie sich aus dem schwadigen Dunst eine schwarze Gestalt in die Lüfte erhebt und mit einem
Wink seiner Hand erheben sich die gefallenen Krieger, greifen nach ihren Waffen und stürtzen sich in die Schlacht.
Nun erst sind sie wahre Recken, denn nun erst fürchten
sie den Tod nicht mehr.
Hoffentlich begreift ihr dann endlich, wer euch erretten kann. Hoffentlich ergreift ihr die Hand, die sich euch entgegen streckt- denn einzig sie ist es, die euch aus dem Staub ziehen kann. Eine kalte, dunkle Hand voller Zorn und Stärke- ergreift sie, denn die Viere haben versagt…
Fürchtet euch, die Rache ist nahe
Erschrecket euch, das Siechtum ist nahe
Und dann, wenn der Boden unter euren Füßen erzittert,
dann, wenn ihr eine dunkle Wolke am Horizont erblickt,
dann, wenn ihr von fern ein lautes Frohlocken, gleichsam
eines düsteren Chorals, hört,
… dann rennt.
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Gedanken
Ein Mann in schwarzer Robe unterhält sich bei einem Glas Whiskey mit sich selbst, in den verworrenen Gedanken eines Mannes, der zuviel gesehen, zuviel erlebt hat und noch immer nicht mit dem fertig geworden ist, was es zu erreichen gilt. Der Schwarze lächelt bei folgenden Worten; ja man könnte meinen, dass er die Gedanken dabei tatsächlich in vollen Zügen genießt, dass er aus voller Inbrunst und totaler Überzeugung von dem berichtet, was wahr ist.
Eine Wahrheit, die so bitter wie verlockend ist. Bitter, weil sie schwer zu ertragen, verlockend, weil sie so unglaublich erscheint, dass sie kaum für wahr genommen werden darf. Doch der vermeintliche Gesprächspartner des Schwarzen klebt an den Lippen des Mannes, musternd ihn und weiß: was dieser Mann spricht, ist tatsächlich die Wahrheit.
In der Ferne hört man des Schreien von Kreaturen, das Brüllen von zornigen Wesen. Alles scheint in diesem Moment, als der Schwarze spricht unwirklich und bizarr entrückt. Eine Kälte geht von ihm aus, die den unangenehmen Wind der Jahreszeit zu einer lauen Sommerbriese werden lässt und eine verschlingende Schwärze unterdrückt das fahle Kerzenlicht in der kleinen Kammer, als hätte man ein Tuch aus schwarzem Samt darüber gelegt….
Der Preis, den er fordert ist lächerlich gering für die Fülle, die er gibt. Grenzlose Freiheit, grenzenlose Macht.
Ich koste den Schmerz, lasse ihn über meine Zunge laufen, schmecke jede Pein, die es mich kostet, auf jeder
Faser meines Körpers. Der Geschmack des niemals gewährten Todes rinnt bittersüß meinen Rachen hinab,
wie ein zu starker Schnaps, der eigentlich jeden Sinn für den Genuss verdirbt, wie ein zu rauchiger, zu torfiger
Whiskey fließt er zäh und voluminös kratzend die Kehle hinab und erfüllt doch das Innerste mit wohligem Geschmack eines wirklich guten, wirklich lohnenswerten Getränks. Scheiß auf den Preis, den diese Flasche teuersten Alkohols mich grade gekostet hat. Scheiß auf den Kater, der mich morgen plagen wird. Was ist schon der morgen, wenn ich meine Zeit in jahrtausenden messe?
Genauso ist die Gabe des Herren. Bittersüßer Wohlgenuss, bei einem harten Preis, den ich immer wieder gerne in Kauf nehme, einfach nur weil ich es kann. Weil ich nicht dem Joch des viergöttlichen Zwangs unterliege, dem lächerlich kleinen, beschränkten Weltbild, dass mir eine Doktrien auferlegt, die niemand in Dukaten aufwiegen kann.
Ich weiß mittlerweile, was es heißt dem Herren zu dienen, ihm wirklich zu dienen und seine Lehren anzunehmen, wie nur ein wahrer Gläubiger es kann.
Aber bist auch du bereit, seine Lehren als Wahrheit zu akzeptieren? Bist auch du stark genug die Strafe der Viere auf dich zu nehmen, wenn du Angamon als mächtiger Gläubiger dienen willst?
Beweise dich, kleiner Schüler und vielleicht erhebe ich dich mit der mir gegebenen Macht in einen Stand, den du als normal Sterblicher niemals erreichen würdest; denn wie verheißungsvoll, wie wahnwitzig der Moment, wenn dir klar wird, dass dir unter Angamon alles nehmen kannst, wenn du nur stark genug bist; und wenn dir bewusst wird, dass du in Ewigkeit diese Macht als deine eigene Errungenschaft, deine eigene, ganz persönliche Leistung zu spüren bekommst.
Ohja, ich koste diesen ewigen Moment aus. Kannst du es auch?
Und der Schwarze schwenkt bedächtig seinen Kelch voller güldener, träg wabbernder Flüssigkeit, schnüffelt – wie ein Hund – daran, ehe er den Whiskey in einem Zug in seinen Rachen kippt. Ein leises, wohliges Stöhnen erklingt von ihm, als der kratzende Saft seine Kehle hinab rinnt.
Ohja, dieser Mann, so mag ein Dritter denken, genießt alles um ihn herum. Genießt das, was er dank seinem Willen, seiner Kraft und seiner Stärke erreicht hat, mindestens genauso, wie den teuren Alkohol, den er sich grade so ungalant hinter die Binde kippt.
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